Eine Fläche von 401 Quadratkilometern, eine Bevölkerungszahl von 530.000 Menschen – damit ist Vilnius als Hauptstadt die größte Stadt Litauens und flächenmäßig sogar die größte Stadt des Baltikums. Aber nicht nur das: Im November 2016 wurde Vilnius für eine neunte Klasse des AKOs eine Woche lang auch Entdeckungsziel und Zuhause.
Im Rahmen des jährlichen Austauschs der neunten Klassen flog die 9c nach Kroatien, die 9b nach Ungarn und die 9a verschlug es nach Litauen, mitten ins Herz des Landes, nach Vilnius. Und ja, flogen. Zwar war es Ryanair, aber dadurch waren wir schnell nach einer nur kurzen Reisezeit schon früh am Vormittag in der lebendigen Hauptstadt. Sofort wurden wir in die Schule gebracht – die Partner des Austausches war – mitten in der Altstadt gelegen und ebenfalls ein Jesuitengymnasium, das Vilniaus jėzuitų gimnazija. Mit seinen vielen Gängen und Räumen und Treppen hätte man sich in diesem alten, sehr schönen und großen Schulgebäude leicht verlaufen können, wenn wir nicht geführt worden wäen. Das Vilniaus jėzuitų gimnazija zählt zu den besten Schulen Litauens, und selbst Angela Merkel stattete ihm schon einen Besuch ab. Naja, allerdings muss man dort Schuluniformen tragen, was die meisten Schüler dort eher nicht so toll finden. Aber ab und zu gibt es in regelmäßigem Abstand einen Tag, an dem man sich wie beliebt anziehen darf. Ein schwacher Trost. Und dieser lag natürlich nicht in der Woche, in der wir da waren, und so vielen wir in unseren Jeans und Kapuzenpullis auf wie gestreifte Hühner.
Eine wunderschöne Altstadt
Nach einem Rundgang durch die Schule wurden wir von einer der Organisatoren auf litauischer Seite für einen ersten Eindruck durch die Altstadt von Vilnius geführt. Vilnius‘ Altstadt ist vergleichsweise klein und es gibt scheinbar keine Fußgängerzone, aber die Gebäude, Gassen und Plätze sind von auffallender Schönheit. Einige Häuser wirken leicht heruntergekommen, aber gleichzeitig noch immer liebevoll gepflegt und in Ordnung gehalten. Das gibt der Stadt ihren ganz eigenen Reiz und Charakter. Typisch für Vilnius ist aber auch, dass man an jeder Straßenecke mindestens ein oder zwei Kirchen findet, und jede davon ist auf irgendeine Weise sehr bedeutsam für Litauens Hauptstadt. Da ist St. Kasimir, Švento Kazimiero bažnyčia, die erste Barockkirche in Vilnius und dem Schutzpatron Litauens, dem Heiligen Kasimir, geweiht. Dann die Heilige Johanneskirche als Universitätskirche von Vilnius. Die Universität Vilnius genießt großes Ansehen und ist die größte in Litauen und einer der ältesten in Mitteleuropa. Und nicht zu vergessen, die Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus, die sogar zur basilica minor erhoben wurde. Ein paar Straßen weiter die Backsteinkirche St. Anna. Und noch viele mehr.
Traurige Relikte der Sowjetzeit
Wie wir auf dieser Stadtführung lernten, ist jedoch eine Kirche noch besonders wichtig: Die Bernhardinerkirche, einen Meter von St. Anna entfernt. Sie gilt als eine der beliebtesten Kirchen in Vilnius, ihr Inneres ist geprägt von Fresken und hölzernen Sonnenstrahlen als Verzierung. Doch sofort fällt die starke Beschädigung der Fresken ins Auge. Denn in der Sowjetzeit wurde die Kirche wie viele andere in ganz Litauen als Lagerhalle genutzt. Und da der Kommunismus den Atheismus förderte, kam die Bernhardinerkirche stark herunter, und randalierende Jugendliche begannen, Stücke aus den Wänden herauszubrechen und so die Fresken zu zerstören. Sie können kaum restauriert werden, und daher steht die Bernhardinerkirche mit den wenigen Pigmentresten der Fresken für die tief verletzte Seele Litauens und die Wunden, die dem litauischen Volk durch die sowjetische Besetzung nach dem Zweiten Weltkrieg zugefügt wurden.
Ein Künstlerviertel als Republik
Ein ganz anderes Markenzeichen von Vilnius ist ein Viertel ganz besonderer Art: Užupis, pardon, Republik Užupis. Dies ist das Künstlerviertel von Vilnius und hat sogar seine eigene Verfassung, die auf humorvolle Weise neben grundsätzlichen Prinzipien auch ein paar Regeln für Hund und Katze aufstellt. Jede Katze habe das Recht, sein Herrchen nicht zu lieben, in schweren Momenten müsse sie ihm jedoch beistehen. Und „Lass dich nicht unterkriegen, schlag nicht zurück und gib nicht auf“. Klingt doch sehr einleuchtend. Auch das durften wir uns anschauen. So bekamen wir von Vilnius einen guten ersten Eindruck. Anschließend wurden wir von unseren Gastfamilien abgeholt, die uns sehr liebevoll aufnahmen und stets gut bewirteten und unterhielten. Auf diese Weise konnten wir gut die litauische Lebensart und die ihre Herzlichkeit erleben. Ab und zu begleiteten wir unseren jeweiligen Austauschschüler auch in seinen Unterricht und konnten so durch die Stundenbesuche sehen, wie Schule in Litauen so ist. Wenn wir denn von dem Litauischen etwas verstanden. Manche Lehrer waren so nett, für uns den Unterricht auf Englisch zu veranstalten. Eines fiel uns dabei auf: Die vielen Tests. Man schreibt in Litauen zwar nur eine Prüfung in vier Fächern vor den Zeugnissen und nicht mehrere Klassenarbeiten wie wir, aber dafür wöchentlich mehrere Tests in fast allen Fächern, manchmal sogar fünf pro Tag. Alle Gastfamilien bemühten sich sehr, uns einen großartigen Aufenthalt zu bereiten, und es gelang ihnen auch. Viele von uns stehen immer noch in engem Kontakt mit ihnen.
Volkstanz auf Litauisch
Aber auch sonst konnten wir viele neue Dinge kennenlernen: Neben dem erhabenen Großfürstenpalast, den Türmen und Gassen der Altstadt von Vilnius machten wir auch Ausflüge in die Umgebung. Wir besichtigten Kaunas, eine Stadt in der Nähe von Vilnius, machten Museumsbesuche zur bewegten Geschichte des Landes und bekamen im Ethnographischen Freilichtmuseum eine Vorstellung davon, wie es in Litauen vor mehreren hundert Jahren aussah. Im Toleranzzentrum wurde uns die gesellschaftliche Rolle der Juden in Vilnius erklärt und Workshops zeigten uns deren Sitten und Bräuche. Und zu guter letzt Trakai. Dort durften wir Kibinei backen, traditionelle Teigtaschen mit Fleisch gefüllt, typisch litauisch. Und wir durften sie auch essen. Allerdings waren unsere eigenen etwas … verkrüppelt, weil es eine hohe Kunst ist, den Teig so zu formen, dass er aussieht, wie er aussehen soll und zugleich auch noch ein bisschen schön. Eine scheinbar unmögliche Aufgabe. Aber sie schmeckten, wie sie sollten. Der Teig wurde ja auch für uns vorbereitet. A taste of history, ganz wie uns vorher versprochen wurde.
Außerdem besichtigten wir die Inselburg Trakai, die malerisch in der typisch litauischen Seenlandschaft liegt. – so waren wir viel beschäftigt. Aber wir hatten auch viel Freizeit und genosssen sie in den Straßen und Cafes der Altstadt (mit gutem Kaffee!) sehr. Den letzten Tag durften wir ganz in unserer Gastfamilie verbringen, und das nutzten wir, um noch so lange wie möglich mit unseren litauischen Freunden zusammenzusein und noch mehr von Litauen zu erleben. Nur eines ließ zu wünschen übrig: Das Wetter. Es war die ganze Zeit eiskalt und regnete ununterbrochen. Auch typisch litauisch? Wer weiß …
Vilnius – eine Stadt von 401 Quadratkilometern, 530.000 Einwohnern und dem Titel als Hauptstadt Litauens und größte Stadt des Baltikums, und außerdem, wie die 9a nun weiß, eine wunderschöne Stadt zum Entdecken und Kennenlernen. Und unsere Austauschschüler kamen im Mai 2017 zum Rückbesuch. Ein herzliches Wiedersehen!
akomag | ausgabe sommer 2017 | autorin: katharina moser | photo: © heilige johanneskirche, www.vilnius-tourism.lt
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