Autorenlesung in der Oberkirche: Christian Linker stellte sein Buch „Der Schuss“ vor. Das Buch handelt von Rechtsextremismus und wurde bewusst zur Bundestagswahl 2017 veröffentlicht.
Die Hauptperson, Robin Fuchs, wohnt mit seiner Schwester und seiner Mutter in einem alten Plattenbau. Zufälligerweise wird er Zeuge, wie ein Anhänger der rechten „Deutschen Alterativen Partei“ unter Frederik Kuschinski, einem ehemaligen Jugendfreund Robins, von ebenfalls Rechten ermordet wird, und entdeckt einen weiteren Mann lebensgefährlich verletzt. Da Robin den Verletzten rettet, schenkt dieser ihm Vertrauen und übergibt ihm einen USB-Stick, der Kuschinski schadet, mit dem Auftrag, diesen weiterzugeben. Die Tat wird einem Migranten in die Schuhe geschoben und er wird ins Gefängnis gebracht, weil man sein Messer am Tatort gefunden hat. Nun muss Robin sich entscheiden, ob er einen Unschuldigen aus dem Gefängnis holt oder lieber sein Leben rettet.
Der Autor will durch Perspektivwechsel zeigen, weshalb man bestimmte Entscheidungen trifft und sich bestimmten Bewegungen anschließt. Außerdem beschreibt er das Leben in Vierteln, in denen Menschen das Gefühl haben, die Regierung vernachlässige sie. Die Rechtsextremen hingegen beachten sie und schenken ihnen Anerkennung. Zudem will er auch sagen, dass man sich schließlich entscheiden muss, auch wenn der Weg, den man für richtig hält, schwierig scheint. Nachdem Christian Linker uns Teile seines Buchs vorgelesen hatte, durften wir ihn interviewen.
Ist „Der Schuss“ die Fortsetzung von Ihrem Buch „Das Heldenprojekt“ und warum haben sie das Buch genau 2017 veröffentlicht und nicht 13 Jahre früher?
Dreizehn Jahre früher habe ich das Heldenprojekt gemacht und ich habe lange Zeit gedacht, dass es wieder weggeht, also diese Stimmung. Das habe ich nicht so eingeschätzt und ich habe lange Zeit nicht eingeschätzt, dass es mich so wütend macht.
Fred, der Nazi, wird in vielen Stellen als sympathisch dargestellt, warum genau?
Ich finde das doof, dass es so schwarz-weiß ist, dass man sagt, auf der einen Seite sind nur die Guten und auf der anderen Seite nur die Bösen. So ist das richtige Leben auch nicht. Und wenn man aus der Perspektive von jemanden schreibt, in dem Moment, wenn du dich selber in jemanden hineinversetzt, dann hast du immer ein bisschen was, was in ihm sympathisch ist. Sonst kannst du nicht darüber schreiben.
Das Ende ist ziemlich gut für die Rechtsextremen ausgefallen, warum haben Sie das so enden lassen?
Weil es mich gereizt hat, das so ein bisschen wie eine klassischen Tragödie zu schreiben. Ein Kennzeichen dieser alten Geschichten ist, dass die Hauptfigur das Gegenteil erreicht von dem, was sie möchte. Das ist so ein Stilmittel und irgendwie fand ich das deswegen passend, weil die Zeit noch nicht reicht zu einem Happy End. Wer weiß, ob es nicht noch viel schlimmer werden muss, bevor es wieder besser wird. Und irgendwie auch, weil ich den Lesern sagen wollte, wenn du das auch so schlimm findest, dann kannst du auch etwas dagegen machen, als Aufforderungscharakter.
Was ist Ihre eigene Meinung zu dem Thema?
Ich finde es ganz schrecklich, dass eine Partei wie die AfD im Bundestag ist. Schon seit vielen Jahren weiß man, dass fünfzehn Prozent der Menschen Probleme mit der Demokratie haben. Was ich aber noch schlimmer finde, ist, dass viele Leute denken, sie müssten für sie Verständnis haben und denen das nachreden. In einer offenen, freien, vielfältigen Welt zu leben ist für alle gut, auch für die fünfzehn Prozent, die das noch nicht wollen. Ich glaube aber, dass man die Leute überzeugen kann und dass sie positive Erfahrungen machen können.
Haben Sie Erfahrung mit Rechtsextremismus?
Nein, nicht unmittelbar würde ich sagen. Ich finde, insgesamt sind wir im Rheinland dazu aufgestellt, was die Frage betrifft, wo und wieso rechtsradikale Alterskultur hier vorkommt. Jetzt ist auch nicht ganz Chemnitz rechts, ich habe in Chemnitz verschiedene Lesungen eine ganze Woche gehabt und dann gibt es auch ganz „normale“ Stadtviertel und Gegenden. Trotzdem gibt es Gegenden, wo du durchgehst und dir denkst: „Ich bin froh, dass ich nicht die typische Zielgruppe dieser Personen bin“. Wenn ich mit Kolleginnen spreche, vor allem mit Frauen, die Bücher zu ähnlichen Themen schreiben und nicht blond sind oder so etwas, erzählen sie mir, dass sie überzogen werden mit Briefen, mit E- Mails, mit Postkarten und so weiter mit Morddrohungen, Vergewaltigungsandrohungen und so weiter. In meinem Buch habe ich mir auch diesen Hate auf Facebook nicht ausgedacht, sondern das gibt es alles wirklich und das war noch die harmlosere Variante. Da gibt es noch viel, viel schlimmere Sachen, die Kolleginnen von mir abbekommen.
Was, denken Sie, kann man gegen Nazis tun?
Vor allem sollte man seine Meinung sagen, ich habe zu oft weggehört. Wenn ich beispielsweise meine Jungs aus dem Kindergarten abhole und ich da Eltern treffe und jemand etwas Blödes gegen Flüchtlinge sagt, dann habe ich keine Lust auf Diskussionen und gehe dann einfach weg. Da fängt es irgendwo schon an, wo ich denke, nein, das geht nicht mehr: Ich muss einfach etwas sagen, auch wenn ich nur kurz sage „Nein, das sehe ich anders“.
Arbeiten Sie gerade an einem neuen Buch?
Ja, eigentlich an drei Bücher. Ich mache gerade die letzten Überarbeitungen für einen Roman, der im Januar erscheinen soll, und übernächstes Jahr mache ich nach langer Pause wieder ein Kinderbuch. Ich habe eine Krimireihe für Erwachsene angefangen, die ich unter einem pseudonymen Namen schreibe.
Nennen Sie unseren Lesern bitte zum Schluss drei Gründe, warum man Ihr Buch „Der Schuss“ unbedingt kaufen sollte.
Erstens: Es liegt total gut in der Hand.
Zweitens: Es hat einen sehr schönen Umschlag.
Drittens: Ich finde, es ist eine sehr schöne Geschichte. Es ist rasant geschrieben, ist relativ dick, es hat einen Perspektivenwechsel und ist eine kleine Herausforderung für jeden.
Vielen Dank für das Interview!
Autorin: Finnja Schopohl
Foto: Christian Linker © Foto: Barbara Dünkelmann
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