Lieber Oliver Braun, Sie sind Bereichsleiter des AKO-Forums. Wie lange arbeiten Sie eigentlich schon in dem Bereich Kinder- und Jugendpädagogik?
Die gemeinsame Zeit, das Arbeiten mit Kindern hat mir einfach schon immer sehr viel Spaß gemacht. Rechne ich die Zeit als Jugendfußballtrainer, die Praxissemester an der Uni, den studienbegleitenden mehrjährigen Nebenjob als Erlebnispädagoge und meine Jahre am AKO (Internat + AKO-PRO + AKO-Forum) zusammen, so komme ich auf mittlerweile ca. 20 Jahre Kinder- und Jugendarbeit.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Ganz klar die praktische Arbeit. Back to the roots. Ich bin immer wieder froh, wenn ich den Schreibtisch verlassen und mich gelegentlich noch selber mit ins aktive Kursgeschehen einbringen kann. Der Alltag lässt dies leider immer seltener zu. Die Zeit mit den Kindern und Jugendlichen gibt mir nicht nur die Möglichkeit zum Ausgleich, sie erinnert mich auch stets daran, warum ich diesen beruflichen Weg eingeschlagen habe. Die Organisation und Koordination unseres außerunterrichtlichen Bereichs macht mir viel Freude, doch viel erfüllender ist der zwischenmenschliche Austausch, das Eintauchen in die kindliche Welt, die Arbeit mit den unterschiedlichsten Charakteren und Persönlichkeiten.
Gibt es AKO-Forum-Erlebnisse, die Ihnen besonders viel bedeuten, die Sie nicht vergessen werden?
Oh ja, die gibt es. Ich nenne sie meine magischen Momente. Es sind gerade die kleinen, aber feinen Augenblicke, die auf lange Zeit unvergessen bleiben. So erinnere ich mich z.B. gerne an den kleinen Sextaner, der sich voller Tatendrang in einer Gruppe von Oberstufenschülern beim Theaterbühnenbau engagierte und diese an Motivation, Fleiß und Kreativität um Welten in den Schatten stellte. (Du erinnerst dich auch, oder?). Ich lache noch heute über den großspurigen jungen Seifenkistenbauer, der allen Warnungen zum Trotz das Kunststück fertig brachte, seinen Rennboliden während seiner ersten Testfahrt übermütig in alle Einzelteile zu zerlegen, um ihn dann in zahlreichen Sonderschichten mit mir wieder zusammenzuflicken. Ich denke gerne zurück an die junge Dame, die das erfolgreiche Meistern einer Prüfungssituation vor allem auf die gemachten Erfahrungen unseres gemeinsamen Teamtrainings zurückführte. Unvergessen bleibt der kleine Ronaldo (er hatte zumindest das Trikot an), der durch sein Können, seine Leidenschaft und die so authentische Begeisterung für das runde Leder auch in mir den Willen weckte, nach vielen Jahren Pause noch einmal selber die Schuhe zu schnüren.
Es sind die oftmals unerwarteten, beiläufigen Erlebnisse, die prägend in Erinnerung bleiben. Das können die echten Emotionen beim Orchester- oder Theaterspiel sein, mal die kleinen individuellen Erfolge in unseren Sport- und Wissenschaft-AGs, mal die spontanen herzlichen Begegnungen auf dem Pausenhof oder auch einfach mal ein nettes Feedback von Elternseite.
Mit dem bisher Erreichten bin ich sehr zufrieden, denn vieles ist bereits möglich. Doch mehr soll möglich werden!
Gibt es etwas, das Sie gerne noch am AKO-Forum verändern würden?
Auf jeden Fall. Ohne Veränderung gibt es keinen Fortschritt, keine Entwicklung. Ich möchte nicht, dass sich der Bereich AKO-Forum in ein starres und unflexibles Modell verwandelt, das Schuljahr für Schuljahr nur mit dem Altbewährten aufwartet. Mit dem bisher Erreichten bin ich sehr zufrieden, denn vieles ist bereits möglich. Doch mehr soll möglich werden! In meiner Schreibtischschublade schlummern einige meines Erachtens sehr lohnenswerte Projektideen, deren Realisierungen nur auf die entsprechende Finanzspritze und die benötigte Man-Power warten. Lass dich überraschen. Ich arbeite daran und übe mich in Geduld. Es muss ja nicht immer gleich ein großer Sprung sein, der in die richtige Richtung führt. Veränderungen beginnen im Kleinen und große Ziele erreicht man nur durch Beharrlichkeit und viele kleine Schritte.
Welche Angebote hat das AKO-Forum? Hat sich in den letzten Jahren ein Schwerpunkt gebildet?
Die aufzuzählen würde hier mit Sicherheit den Rahmen sprengen. Die Komplexität liegt hier weniger in der Anzahl der Veranstaltungen, als vielmehr in der Flexibilität des sich immer mal wieder verändernden Programms. Vor allem in den Bereichen Sport, Abenteuer- und Erlebnis, Musik, Theater, Kunst und Handwerk, Wissenschaft und Bildung bieten wir vielfältige Gelegenheiten zur sinnvollen Freizeitgestaltung. Fußball, Basketball, Tennis, Mountainbiken, Parkour … Big Band, Chor, Orchester, Theaterprojekte … Künstlerisches Werken und Gestalten, Zeichnen, Seifenkistenbau … Erlebnistage und Ferienprogramme – sie stellen nur einen Auszug aus unserer Angebotspalette dar. Bei unseren Sport- und Erlebnisangeboten haben wir mit Abstand die größte Nachfrage, wohingegen Angebote aus den Bereichen Wissenschaft und Bildung außerhalb des schulischen Kontextes um entsprechende Interessentenzahlen kämpfen.
Wie entwickeln Sie die Kursideen? Können andere Ideen für Kurse vorschlagen?
In erster Linie geht es darum, jugendliche Trends zu verfolgen und bei der Programmgestaltung entsprechend zu berücksichtigen. Ich gebe mir größte Mühe, die Wünsche und Bedürfnisse unserer Schüler und Schülerinnen aufzufangen. Deshalb rufe ich bewusst dazu auf und bin sogar darauf angewiesen, dass sich Lehrer, Erzieher, Eltern und auch Schüler als Mitgestaltende verstehen und sich mit ihren Ideen an mich wenden.
Können Sie uns ein paar Zahlen zu Teilnehmern und Kursen nennen?
Du willst jetzt nicht wirklich, dass ich die Bücher wälze? Ich hoffe, du bist einverstanden, wenn ich die letzten Jahre gedanklich Revue passieren lassen und grob überschlage? Erschwerend kommt nämlich hinzu, dass Teilnahmen nicht gleich Teilnehmer sind. Wer unsere Angebote kennen und schätzen gelernt hat, besucht oftmals mehrere verschiedene Kurse. Insofern versuche ich es mal so auszudrücken: Bei unseren kollegsinternen Veranstaltungen (Sport, Musik, Theater, Kunst etc.) haben wir mittlerweile pro Schuljahr ca. 500-600 Teilnahmen zu verzeichnen. Auf die jährlich derzeit 70-80 offenen Angebote für jedermann entfallen zusätzlich noch mal um die 1000-1200 Teilnahmen. Die Anzahl der durchgeführten Veranstaltungen und Teilnahmen hat sich im Vergleich zum Startjahr 2014 bis heute mehr als verdoppelt. Ich schätze mal, summiert landen wir bis heute bei ca. 5000-6000 Teilnahmen. Immer beliebter werden Wochenend- und Feiertagsaktionen sowie Ferienfreizeiten. Die Nachfrage von Grundschulkindern wächst stetig, die Interessenten werden immer jünger. Da verwundert es nicht, dass die Altersgruppen 8-13 Jahre dominieren (ca. 60%).
Jugendarbeit muss da sein, wo Kinder und Jugendliche sind, dort wo sie freie Zeiten gestalten wollen und können. Und genau hier setzen wir an!
Der Anfang war ja alles andere als leicht. Wie haben Sie es geschafft, den Erfolgskurs einzuschlagen? Gibt es ein „Geheimrezept“?
Erfolgskurs? Danke, aber das muss und wird sich auf Dauer erst noch zeigen. Ganz so rosig ist das nicht, der Eindruck täuscht. Ich kämpfe täglich mit der Realität. Vieles hat sich im Vergleich zu meinen Jugendjahren verändert. Unser Bildungssystem hat sich verändert. Schule hat sich verändert. Freizeit hat sich verändert. Der Ausbau hin zu offenen Ganztagsschulen schon im Grundschulbereich, die Verkürzung der Schulzeit und die zunehmende Forderung nach Ganztagsangeboten in der Sekundarstufe verändern den Alltag von Kindern und Jugendlichen enorm. Viel Zeit ist durch den Unterricht und die Schularbeiten verplant. In unserer Wettbewerbsgesellschaft versuchen zudem immer mehr Eltern ihre Kinder durch zusätzliche Bildungsangebote weiter zu fördern. Verständlicherweise, aber was bleibt da noch an freier Zeit? Die hohe Präsenz und der starke Einfluss medialer Möglichkeiten machen die Situation auch nicht gerade leichter. Immer häufiger kicken Jugendliche in Ihrer Freizeit lieber digital auf der Play Station, als mit Freunden tatsächlich auf dem Fußballplatz. Ist es da noch verwunderlich, dass Freizeitzentren und Sportvereine sinkende Teilnehmerzahlen zu verzeichnen haben? Siehst du, alles nicht so einfach. Doch malen wir mal nicht zu schwarz, schließlich klappt es ja bisher bei uns noch ganz gut. Ich denke, wir haben einen entscheidenden Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Jugendeinrichtungen: Wir sind vor Ort! Unser „Geheimrezept“ liegt wohl in der Tatsache begründet, dass wir mit unserer freizeitpädagogischen Jugendarbeit unsere Kompetenzen in das Konzept von Schule einbringen können. Jugendarbeit muss da sein, wo Kinder und Jugendliche sind, dort wo sie freie Zeiten gestalten wollen und können. Und genau hier setzen wir an!
Ich habe ja mal ein Team-Training mit meiner Klasse mitgemacht. Das fand ich super. Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem Kurs; sollte der nicht generell für jede Klasse angeboten werden?
Es freut mich sehr, wenn es dir gefallen hat und du noch gerne daran zurückdenkst. Ich bekomme sehr viel Zuspruch. Die Rückmeldungen von Schülern, Eltern- und Lehrerseite sind durchweg positiv. Wenn es nach mir ginge, würde unser Programm „Team-Spirit“ fest in den Lehrplan der Sek. I integriert. Ich sehe vor allem bei den jüngeren Klassen nicht nur Bedarf, sondern auch einen hohen Nutzen. Es bringt Bewegung in die Gruppe, zeigt auf spielerische Art die Stärken und Schwächen im Klassenverband auf und vertieft den Zusammenhalt. Ich bin sehr froh und dankbar, dass mit der Zeit immer mehr Lehrer diesen Mehrwert erkennen und erlebnispädagogische Schultage bei mir buchen.
Die Website sieht auch richtig toll aus. Machen Sie die selbst? Wie kommen die Jugendliche zum AKO-Forum? Machen Sie noch andere Werbung oder spricht sich das tolle Angebot einfach herum?
Jetzt fühle ich mich geehrt. Vielen Dank. Ja, die mache ich selber. Das entsprechende Know-How musste ich mir erst einmal aneignen. Das hat mich viele nächtliche Zusatzstunden gekostet. Leider gelingt es mir nicht immer, die Website auch auf dem aktuellen Stand zu halten. Neben der AKO-Forum Homepage, unserem Facebook Auftritt (hier könnte ich noch Unterstützung gebrauchen, also „liken“, Leute!), Flyerauslage und Plakataushang ist der eigens angelegte E-Mail-Verteiler das wohl wichtigste Werbemittel. Jedes Kind, dass schon einmal an einer AKO-Forum Veranstaltung teilgenommen hat, wird mit einer digitalen Kontaktadresse registriert. Dadurch wächst der Verteiler und die regionale Bekanntheit nimmt stetig zu. Wenn sich unsere Angebote dann auch noch im Freundes- und Bekanntenkreis herumsprechen, bin ich umso glücklicher. Stolz bin ich wirklich, dass Mädchen und Jungen von mittlerweile über 50 verschiedenen Schulen bei uns waren.
Das AKO-Forum ist mittlerweile ein fest etablierter Bereich und aus dem Kollegsleben kaum mehr wegzudenken. Warum ist der außerunterrichtliche Zweig so wichtig für das AKO?
Da muss ich wohl etwas weiter ausholen. Wenn wir die Bildung an unserem Kolleg betrachten, müssen wir den schulischen und den außerschulischen Bereich zusammen betrachten. Jesuitische Erziehung zielt auf eine ganzheitliche Bildung des Einzelnen ab. Dies beinhaltet gleichermaßen Lernen und Üben, Erfahren und Erleben, (Mit)Wirken und Handeln. Nur zusammen definieren sie die Ganzheitlichkeit in der Bildung. Zweifelsohne ist schulische Bildung wichtig, aber bei weitem nicht alles. Einen erheblichen Teil des Wissens und Könnens erlernen Kinder und Jugendliche auch außerhalb des Schulunterrichts.
Kreativität, Teamgeist, Engagement und die beglückende Erfahrung „Ich kann das!“ liegen bei Kunst, Musik und Theater sehr eng beieinander.
Unsere nachmittäglichen Kurse, abendlichen Veranstaltungen, Wochenendworkshops und Ferienfreizeiten bieten so viel mehr als reine Bespaßung und Freizeitfüllung! Sie implizieren auch beiläufige, unbewusste, aber so immens wichtige Lernprozesse zur Entwicklung persönlicher und sozialer Kompetenzen. Dazu können z.B. unsere Angebote der kulturellen Bildung einen herausragenden Beitrag leisten. Kreativität, Teamgeist, Engagement und die beglückende Erfahrung „Ich kann das!“ liegen bei Kunst, Musik und Theater sehr eng beieinander. Die selbstgebaute Seifenkiste, der erste Aufritt mit dem Orchester oder der Big-Band, die Hauptrolle in Shakespeares Hamlet – all dies sind unvergessliche Erinnerungen, die Kinder selbstbewusst und glücklich machen. Sie lernen hier ein künstlerisches, musisches oder schauspielerisches Werk selbst zu gestalten, Einzelaufgaben zu meistern oder ein Gemeinschaftsprojekt zum Erfolg zu führen. Und ganz wichtig und nicht zu unterschätzen: Wenn es sein muss, auch mal Rückschläge zu verkraften.
Ein weiteres Beispiel? Lass uns den Blick auf den Bereich Sport, Spiel und Bewegung werfen. Weißt du, es geht hier nicht allein um die Förderung der motorischen und koordinativen Fähigkeiten, es geht auch um gruppendynamische Prozesse, das gesellige Miteinander, Einsatzbereitschaft, Konzentration, Durchsetzungsvermögen und den Willen zur Bewältigung diverser Anforderungen. Es geht nicht nur um körperliche, es geht auch um geistige Frische, um Werteempfinden und entsprechendes Verhalten. Der Umgang mit anderen, der Umgang mit Konflikten, der Umgang mit Verantwortung und Vertrauen prägen die Entwicklung und sind ausschlaggebend für Einstellungen und Verhaltensweisen den Mitmenschen gegenüber.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Volle Kurse, ausschließlich ehrenamtlich Tätige, aber hochprofessionelle Kursleiter und prall gefüllte Kassen. Na, das wäre doch was. Spaß beiseite. Ich wünsche mir vor allem, dass es auch weiter gelingen wird, aus dem Lernort Schule einen Lebensort Schule zu machen. Einen Ort, an dem man gerne seine Zeit verbringt. Viele unserer Veranstaltungen stehen ja ganz bewusst allen interessierten Bonner Kindern und Jugendlichen offen, unabhängig von Herkunft oder Bildungsstand. Bei uns sollen sich Mädchen und Jungen vieler verschiedener Schulen treffen, angefangen bei den Grundschulen, über Haupt-, Real- und Gesamtschulen bis hin zu den Gymnasien und Berufsschulen der Region. Insofern wünsche ich mir vor allem, dass der Traum vom großen offenen AKO-Jugend-Campus weiter lebt und Jung und Alt, Klein und Groß dazu beitragen, das Gelände stets mit viel Leben zu füllen, für Vielfalt zu sorgen und eine Kultur des fairen Miteinanders zu schaffen.
Gerade heute ist das wichtiger denn je. In Zeiten von Intoleranz, Fremdenhass und Terror rücken soziales und interkulturelles Lernen, die Integration fremder Gruppen und die Vermittlung zentraler gesellschaftlicher Werte meines Erachtens an die vorderste Stelle unseres Bildungs- und Erziehungsauftrages. Und ich wünsche mir, dass das AKO-Forum noch lange einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann. Wir brauchen einfach viele praktische Alltagserfahrungen, viele spielerisch-sportliche oder auch kreative Begegnungen mit anderen Altersklassen und anderen Kulturen, um Toleranz und Respekt den Mitmenschen gegenüber zu fördern. Und wie und wo geht das noch besser, als im kindlichen Spiel, als im freizeitlichen Miteinander?
Lieber Oliver Braun, vielen Dank für das Gespräch!
Informationen zum Kursangebot findet Ihr hier:
www.ako-forum.de und oliver.braun@aloisiuskolleg.de
akomag | ausgabe sommer 2017 / autor: victor abs
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