Es sind nur vier Buchstaben, und doch hört man sie überall und auch so oft. Sie füllen ganze Seiten in Zeitungen, finden Platz in Nachrichten, lösen Protestwellen aus, werden in höchsten Tönen gelobt und gleichzeitig mit wütenden Schlachtrufen heftigst kritisiert. Aber was ist TTIP nun genau?
TTIP ist die Abkürzung für den Begriff „Transatlantic Trade and Investment Partnership”, also offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Es ist ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, dessen Konzept schon seit Juli 2013 in Washington verhandelt wird. Dieses Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Aufgabe es ist, sog. Handelshemmnisse zwischen den Vertragspartnern so weit wie möglich einzuschränken. Folglich sollen hinderliche gesetzliche Maßnahmen der beiden Parteien, die den Austausch von Handelsgütern und Dienstleistungen zwischen der EU und den USA schwieriger und kostenaufwändiger machen, beseitigt werden. Darunter versteht man einerseits tarifäre Handelshemmnisse, Zölle, andererseits nichttarifäre, mit denen technische Standards, Sicherheitsvorschriften bezüglich Lebens- und Arzneimitteln und Sozial- und Umweltstandards gemeint sind.
Ziel ist also, beiden Verhandlungspartnern einen Vorteil in Wirtschaft und Politik zu verschaffen. Ein anschauliches Beispiel sind Autoblinker: In der EU sind aufgrund der Sicherheitsvorschriften fast ausschließlich gelbe, in den USA rote Blinklichter im Handel. Ein Freihandelsabkommen würde bewirken, dass diese Standards und Sicherheitsvorschriften zwischen den USA und der EU aufeinander abgestimmt werden würden. Die Autohersteller hätten dadurch weniger Aufwand durch den Export, da sie erstens nicht mehr zwei verschiedene Blinklichter, einmal gelb und einmal rot, produzieren lassen müssten, um nach Deutschland zu liefern und gleichzeitig in die USA zu exportieren. Das würde sich in diesem Beispiel auch positiv auf die Autokäufer auswirken, da diese ebenfalls weniger bezahlen müssten. Zweitens müssen sie nicht bei beiden Staaten Zulassungsbedingungen anfordern, sondern nur bei einem, in dem Wissen, dass diese Zulassung für beide Staaten gilt.
Außerdem sollen die Zölle im transatlantischen Handel durch TTIP noch stärker sinken oder gar komplett fallen, damit die Unternehmen, wenn viel gehandelt wird, Geld sparen können und die Produkte billiger werden. Folglich würden mehr Kunden das Produkt kaufen, und sowohl das Unternehmen als auch die Bürger des Landes hätten einen Vorteil. Dafür sollen auch Energie und Rohstoffe leichter zugänglich gemacht und ein Herkunftssiegel Pflicht werden.
Ein weiterer Punkt, den das Freihandelsabkommen mit sich brächte und den besonders viele Unternehmen anstreben, ist der Investitionsschutz. Demzufolge sollen ausländische Unternehmen das Recht haben, Staaten vor einem privaten Schiedsgericht zu verklagen, wenn sie durch das Freihandelsabkommen weniger Profit machen als geplant. Wenn durch TTIP z. B. weniger Kunden ihr Produkt kaufen oder ihre Dienste anfordern, der Konzern also somit weniger Geld verdient, können sie die Verletzung der Eigentumsrechte geltend machen und gegen den Staat klagen. Ein wunder Punkt an diesem Recht ist, dass diese Schiedsgerichte die Interessen des Klägers vertreten und somit für „ihr“ Unternehmen und gegen den Staat entscheiden, ohne dass dieser von Rechts wegen mitreden darf. Viele Leute kritisieren, dass Konzerne bestimmte Vorhaben, die eigentlich gegen die Gesetze des Staates sind, dennoch durchführen bzw. meistens Schadenersatz bekommen könnten, da sie Recht auf Investitionsschutz haben, wenn diese gesetzlichen Verbote den zukünftigen Gewinn des Unternehmens verkleinern. Sie können die Verfassung und die Gesetze problemlos umgehen und ihre Pläne verwirklichen bzw. durch Schadensersatz den-noch Profit machen, indem sie den Staat mit der Verfassung, die sie aufhält, vor einem privaten und oft geheimen Schiedsgericht verklagen. TTIP-Gegner fürchten, dass Unternehmen in Zukunft die Möglichkeit haben, für ihre finanziellen Gewinne das Verbot bzw. die Kennzeich-nungspflicht z. B. gentechnisch veränderter Lebensmittel oder des Frackings zu umgehen. In dem Zusammenhang fürchten viele eine Verschlechterung der Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutzstandards.
Auch kritisieren sie, dass Investitionsschutz ein Angriff auf den Rechtsstaat wäre. Ursache für diese Befürchtung ist, dass die Ausübung und Einhaltung der Gesetze folglich nicht mehr konsequent und nicht gleich für jeden Bürger des Landes wäre, weil sie von Unternehmen und ihren Profitplänen bestimmt werden würden und nicht mehr von den Bürgern eines demokra- tischen Staates. Ein weiterer negativer Punkt scheint die Intransparenz der Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und dem Weißen Haus zu sein. Denn weder die Bundestagsabgeordneten und EU-Parlamentarier noch ausländische Regierungen und Parlamentarier nationaler Parlamente haben Zutritt zu dem Lesesaal, der alle Überlegungen und Verhandlungen enthält. Auch werden die genauen Textstellen des bis jetzt ausgehandelten Vertrages nicht veröffentlicht und Informationen nur verwa-schen angedeutet. Ein Großteil der bis jetzt öffentlichen Informationen gelangte nur durch Informationslecks im Internet in die Öffentlichkeit.
Wie man anhand dieser Fakten und Auffassungen über TTIP sehen kann, spricht einiges für und einiges gegen ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, und unüber-sehbar gibt es Befürworter und Gegner. Doch der tatsächliche Nutzen von TTIP hängt von den genauen Unterpunkten und Details des Vertrages ab, wir werden also noch ein bisschen warten müssen, bis wir wissen, ob und wie die berüchtigten vier Buchstaben Platz in unserem Alltag finden.
Bis dahin sollten wir uns darauf gefasst machen, dass TTIP derzeit die anscheinend am meisten in die Schlagzeilen kommende und dennoch am wenigsten durchschaubare Abkürzung seit langer Zeit sein wird!
Katharina Moser
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