“Aber bitte schön, der Präsident muss entscheiden.“ Das ist eine traurige Feststellung von Ralph Freund, und sie ist nicht die letzte, über die an diesem Abend gestritten wird. Schließlich sind wir bei “Hart aber fair“ live im Studio. Es ist der 5. November, Frank Plasberg steht vor uns, und das Thema ist “Trumps Wahlkampf: Land spalten, Macht retten?“.
Das aus dem Fernsehen bekannte rote Licht leuchtet um uns herum, Kameras und Kameraleute haben ihre Position bezogen, und uns werden die Gäste des heutigen Abends vorgestellt: Peter Bayer von der CDU, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung im Auswärtigen Amt; besagter Ralph Freund, Vizepräsident und Sprecher der „Republicans Overseas Germany“ und Mitglied der CDU und der Republikanischen Partei der USA; Georg Pazderski, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus; Elisabeth Wehling, Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin am Linguistischen Institut der Universität von Kalifornien in Berkeley; und zu guter Letzt Walter Sittler, deutschamerikanischer Schauspieler, so manchem bekannt aus Der Kommissar und das Meer.
Um Kriminalfälle wird es heute Abend nicht gehen, aber die Trumpgegner der Runde halten sein Verhalten für verbrecherisch. “Trump geht es um Macht und Geld, nicht um den Mittelstand“, so Sittler. Pazderski hingegen ist überzeugt, die Erfolge des Präsidenten, sein Austritt aus dem Klimaabkommen, Strafzölle gegen China, die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran, sprächen für sich. Trump habe geliefert, und er spreche “die Sprache des kleinen Mannes“. Für diese Leute sei Trump “die Rettung“. Auch Freund stimmt dem zu. Trump habe Fokus, gesellschaftliche Spaltung sei schon vor ihm da gewesen, und durch ihn hätten die Armen eine Stimme. Genauso sei es auch der AfD gelungen, “bildungs- und politikferne Leute anzusprechen“. Das ist Musik in den Ohren von Pazderski. Man müsse akzeptieren, dass mit Trump die Jobs gekommen seien, und genau wie Trump spreche auch die AfD endlich Probleme an, und zwar so, dass sie auch der normale Bürger verstehe. Großes Diskussionsthema ist Trumps Versprechen, mehr Jobs zu schaffen. Sittler ist überzeugt, nicht Trump sei das momentane Sinken der Arbeitslosenquote zuzuschreiben, sondern Obama. Pazderski widerspricht erneut und beklagt eine Trump-feindliche Berichterstattung der deutschen Presse: “Man darf nicht immer das hinnehmen, was irgendwo in den Zeitungen geschrieben wird. Ich frage mich sowieso, wo die meisten sich informieren“.
Wehling hingegen betrachtet das Thema Trump wissenschaftlich. Es sei zu erkennen, dass unter Trump zwar weiterhin wie unter Obama mehr Jobs geschaffen worden seien, unter Trump erkenne man jedoch ein Abbremsen der geschaffenen Jobs. Außerdem kümmere sich Trump tatsächlich rhetorisch, jedoch nicht programmatisch. “Trump ist ein sehr guter Kommunikator“. Man könne Menschen sprachlich einreden, es ginge ihnen schlecht. Trump schüre ganz bewusst das Gefühl des Vernachlässigtwordenseins. “Wenn ich jemandem oft genug sage, Make America great again, (…) kann ich von der gesamten Psyche her das Gefühl bedienen, die kümmern sich alle nicht um dich“.
Genauso ist auch Bayer nicht beeindruckt von der Leistungsbilanz Trumps. Die neusten Steuerreformen seien nur “Strohfeuer“ und die protektionistische Wirtschaftspolitik Trumps werde der amerikanischen Wirtschaft langfristig schaden.
Ausführlich diskutiert wird auch der Sprachgebrauch des Präsidenten, der in der Runde wiederholt mit dem eines Viertklässlers verglichen wird. Wehling analysiert ihn aus sprachwissenschaftlicher Sicht äußerst interessant: Anders als oft dahergesagt, ließe Trumps simple Sprache kein Rückschluss auf seine Intelligenz zu. Inwiefern hat nun Trumps aggressive Sprache etwas mit physischer Gewalt seiner Anhänger, wie demjenigen, der Trump-Gegnern Briefbomben schickte, zu tun? Wehling erklärt allgemein, ein spezifischer Sprachgebrauch habe durchaus Einfluss auf das Verhalten des Hörers. “Wir wissen tatsächlich aus der Gehirnforschung, dass aggressive Sprache vom Gehirn eins zu eins so verarbeitet wird wie physische Aggression.“ Höre man aggressive Sprache, leuchte in der Amygdala der Bereich auf, der dafür zuständig sei, sich zu wehren. “Was heißt das? Aggression wird geschürt, Angst wird geschürt, neuronal. (…) Das Gehirn wird aggressiver und angstbehafteter“ . Infolgedessen reagiere der Mensch, je nach Persönlichkeit mehr oder minder, mit verbaler Aggression, oder, “zweite Möglichkeit, Bomben verschicken“. Pazderski hingegen bezeichnet diese Analyse als Generalisierung von einer Person aus und als “Unsinn“.
Laut Wehling ist es aber empirische Forschung über das Gehirn und beantworte empirisch die Frage, “inwiefern gewalttätige Diskurse zu physischer Gewalt führen“. Freund hingegen schwächt den Sachverhalt ab: Man könne bei einem Volk von 300 Millionen ja nicht ganz ausschließen, dass es da mal ein paar Leute gebe mit einem besonderen Persönlichkeitsbild.
Und so wird diskutiert. Bald kommt es zum Vergleich der Flüchtlingspolitik Trumps mit der deutschen. Während Pazderski die Härte Trumps gegenüber südamerikanischen Flüchtlingen in höchsten Tönen lobt und die Gefahr des Einwanderns von Massen junger Männer betont, meint Bayer, dass Trump im Hinblick auf die Midterm-Wahlen bewusst Ängste schüre. Es gebe “kein Bedrohungsszenario, was nicht die Grenzbehörden im ganz normalen, geordneten Verfahrensgang bewältigen könnten. Das ist reine Angstmacherei“. Und in der deutschen Flüchtlingspolitik sei trotz aller Probleme schon etwas geschafft worden. Pazderski ist entsetzt über diese Aussage. “Nichts ist geschafft worden. Genau das ist das Problem, das wir in der Politik haben: Dass einfach Wahrheiten nicht angesprochen werden.(…) Der Wähler wird hinter die Fichte geführt von Ihnen“. Es ist nicht verwunderlich, dass die Diskussion gerade bei diesem Thema lauter wird. Sie wäre sicherlich noch Stunden so weitergegangen, hätte Plasberg nicht ein Schlusswort setzen müssen. Schließlich wartet die nächste Sendung.
Sittler jedoch stellt noch einmal klar: “Erfolg muss für die Menschen ein Erfolg sein, Politik funktioniert nur gemeinsam.“ Darüber lässt sich wohl nicht streiten. Darüber, wie das umzusetzen ist, schon. Hart, aber fair. Das jedenfalls ist zu hoffen.
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