Wer das Abi erfolgreich abgeschlossen hat, steht oftmals vor der Überlegung; ob vielleicht ein duales Studium zu wählen wäre. Doch, was ist eigentlich ein duales Studium und wie unterscheidet es sich vom „normalen“ Hochschulstudium? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir ein wenig ausholen und in die Entstehungsgeschichte dieser Studienart eintauchen: In den 1970er Jahren wurden in Deutschland viele neue Schulen gegründet, so dass immer mehr Abiturienten in den Ausbildungsmarkt kamen. Da es nun immer mehr Abiturienten gab, wurde natürlich auch der Andrang auf die Universitäten immer größer. Manch einer stellte sich schon die Frage, ob die immer größer werdende Zahl von Studenten noch fachgerecht unterrichtet, oder, ob durch den Niedergang zielgerichteter Ausbildung ein Mangel qualifizierter Arbeitskräfte zukünftig entstünde.
Daraufhin hatten sich in Baden-Württemberg Verantwortliche aus Wirtschaft und Politik z.B. von Daimler-Benz und Bosch zum Ziel gesetzt, eine praxisnahe Alternative zum klassischen Studium zu schaffen. 1972 wurde das „Stuttgarter Modell“ vorgestellt und 1974 verwirklicht, und die ersten Berufsakademien in Stuttgart und Mannheim gegründet. Dieser anfängliche Modellversuch wurde schon 1982 vom Landtag als erfolgreich und für bestanden erklärt, da er sehr gut von den Abiturienten und Schulabgängern angenommen wurde.
Es gab nur ein Manko: Die Abschlüsse wurden nicht als akademisch anerkannt, wie zum Beispiel ein Magister. 1995 empfahl das Kultusministerium der Länder, den Abschluss der Berufsakademie genauso zu werten, wie den Hochschulabschluss. Dadurch wurde der Abschluss an einer Berufsakademie zwar immer noch nicht akademisch, jedoch wurde die Leistung der Absolventen nun deutlich besser anerkannt. Erst, als 2009 alle Berufsakademien in die neu geschaffene Duale Hochschule Baden-Württemberg (kurz DHBW) überführt wurden, wurde auch der Abschluss akademisch. Dieses Modell setzte sich daraufhin auch in allen andern Bundesländern durch.
„Die erhöhte Nachfrage nach dualen Studiengängen lässt sich auch sehr gut an der Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung ablesen. Allein von 2006 bis 2011 hat sich die Anzahl der dualen Studienangebote um über 50 Prozent erhöht und 2014 einen Höchststand mit knapp 1.500 Angeboten erreicht. Damit geht auch eine große Steigerung der Studierendenzahlen einher, die wiederum mit der gestiegenen Zahl an Unternehmen, die das duale Studienmodell für sich entdeckt haben, zusammenhängt. Die Zahl der Unternehmen wuchs von rund 18.000 im Jahr 2004 auf über 40.000 beteiligte Firmen in 2011. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Studierenden von rund 40.000 auf über 60.000. 2014 studierten über 95.000 Studenten in einem dualen Studium.“ (Quelle: Wegweiser duales Studium)
Welche Varianten gibt es?
Es gibt insgesamt 4 Modelle des dualen Studiums:
- Das Ausbildungsintegrierende duale Studium,
- Das Praxisintegrierende bzw. kooperative duale Studium,
- Das Berufsintegrierende duale Studium
- Und das Berufsbegleitende bzw. praxisbegleitende duale Studium
Das ausbildungsintegrierende duale Studium ist das wohl bevorzugteste und bekannteste Studienmodell. Man kann hier nicht nur einen Bachelor absolvieren, sondern auch eine Ausbildung in einem Partnerbetrieb der teilnehmenden Hochschule bestreiten. Hier wird die Ausbildungszeit zeitgleich zur Studienzeit datiert. Oft handelt es sich hierbei um offiziell anerkannte Ausbildungen, die mit dem IHK-Abschluss beendet werden.
Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten für ein praxisintegrierendes bzw. kooperatives duales Studium. Dieses Modell ist ähnlich aufgebaut wie das oben erwähnte ausbildungsintegrierende Studienmodell. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: Man absolviert in den Praxisphasen keine Berufsausbildung. Man wird entweder als Praktikant oder normaler Mitarbeiter eingestellt und nicht als Azubi. Die Variante des Berufsintegrierenden dualen Studiums ist für jene sehr gut geeignet, die sich, obwohl sie schon eine feste Stelle haben, durch ein Studium weiterbilden wollen. Bei einem berufsintegrierenden dualen Studium reduziert man die Arbeitsstundenzahl in Abstimmung mit dem Arbeitgeber und studiert in den entstandenen Freiräumen. Voraussetzung ist also die Unterstützung des Arbeitgebers!
Das Berufsbegleitende bzw. praxisbegleitende duale Studienmodell ist dem normalen berufsbegleitendem Studium im Aufbau sehr ähnlich, da es in den meisten Fällen parallel zu einer beruflichen Vollzeittätigkeit absolviert wird. Auch hier ist der Arbeitgeber offen mit einbezogen und unterstützt den dualen Studierenden zum Beispiel durch die Freistellung von der Arbeit für Präsenzphasen oder durch andere (auch finanzielle) Förderungen. Meistens jedoch studiert man nach der Arbeit, also nach einem 8stündigen Arbeitstag am Abend. Das nennt sich dann „Abendstudium“ und kann sehr anstrengend sein.
Warum sollte man ein duales Studium wählen – und warum vielleicht nicht?
+ Am wichtigsten für die Wahl des dualen Studiums ist wohl die Praxisnähe. Die Möglichkeit, schon während des Studiums Berufserfahrung zu sammeln, ist nicht nur für einen selber wichtig, weil man es später viel leichter hat, locker in den Berufseinstieg zu starten, sondern auch für den Arbeitgeber bei der Wahl seiner zukünftigen Angestellten, da dieser weiß, dass man schon Berufserfahrung sammeln konnte.
+ Ein ebenfalls wichtiger Faktor mag die Möglichkeit des doppelten Abschlusses sein. Dieser ist zwar nicht mit jedem Studiengang machbar, aber allein wegen der zwei Abschlüsse sehr wertvoll.
+ Und wie immer spielt auch das Geld eine große Rolle, denn wer dual studiert, wird in der Regel von seinem Ausbildungsunternehmen bezahlt oder zumindest finanziell unterstützt. Somit hat man einerseits ein Ausbildungs- oder gar ein richtiges Anfangsgehalt und eine zusätzliche finanzielle Erleichterung. Denn oftmals kann man beim dualen Studium an einer privaten Uni studieren, die im Regelfall Geld kostet.
+ Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeit, duale Studenten anzustellen, um für die Zukunft potentielle Angestellte für sich zu gewinnen, indem sie die Teilnehmer an sich binden. Denn im Laufe des Studiums investiert das jeweilige Unternehmen oft eine recht große Summe in deren Ausbildung. Oft wird deshalb nach Beendigung des Studiums vom Unternehmen direkt mit einem guten Einstiegsgehalt übernommen. Laut einer Umfrage des IAQ: haben dreiviertel nach dem Studium einen Arbeitsvertrag mit dem jeweiligen Unternehmen unterschrieben. Dadurch erledigt sich die oft langwierige Jobsuche in den meisten Fällen.
+ Als letzter positiver Punkt ist der technische Zustand der Hochschulen zu nennen. Oft sind sie äußerst modern und es gibt nur eine geringe Anzahl an Studenten bei einer größerer Anzahl an Dozenten. Die persönliche Betreuung kann also sehr viel besser sein. All das haben „ordentliche“ Unis oft nicht zu bieten; sie sind in alten Gebäuden, haben altes Equipment und viele Studenten.
Doch wie bei jeder Sache gibt es auch hier einige nachteilige Punkte:
- Durch den hohen Praxisanteil wird der wissenschaftliche Bereich des Studiums vernachlässigt bzw. ist von vornherein gar nicht so erwünscht.
- Wer ein duales Studium wählt, der sollte wissen, dass auf ihn sehr viel Arbeit und wenige freie Tage zukommen werden. So hat ein normaler dualer Student lediglich zwischen 20 und 30 Tage frei. Die Mehrbelastung zum Job und vielleicht gar Familie ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.
- Wer sich einmal für ein duales Studium entschieden hat, kann nur schwer einen Rückzieher machen, da die Unternehmen das bisher ausgegebene Geld für das Studium von dem Studenten zurückgefordert werden und im schlimmsten Fall sogar die Beendigung des Studiums gefordert werden kann. Ein „normaler“ Student kann hingegen ganz einfach das Fach wechseln oder sogar das Studium abbrechen (auch wenn das natürlich auch nicht so gut wäre).
- Ein „ordentlicher“ Student kann sich während seines Studiums auf bestimmte Themen festlegen, indem er zum Beispiel Vertiefungsfächer wählt. Ein dualer Student jedoch wird von seinem Arbeitgeber schon von Anfang an auf ein bestimmtes Thema festgelegt, da das Unternehmen sich für die Zukunft Arbeitnehmer „großziehen“ möchte.
Fazit:
> Wer also Kosten beim Studium sparen, schnell, einfach und mit praktischer Erfahrung in den Arbeitsmarkt einsteigen will, keine wirklich frei Wahl bei den Themen des eigenen Studiums haben möchte, und, wer schon vorher weiß, dass er keinen Rückzieher machen wird, für den ist das duale Studium wie geschaffen.
> Jeder aber, für den es wichtig ist, unabhängig zu sein, selbst seine Schwerpunkte legen möchte, später wissenschaftlich arbeiten will, keine größeren Probleme bei der Finanzierung seines Studiums hat und für wen es unnötig bzw. egal ist, mit praktischer Erfahrung in den Arbeitsmarkt zu gehen, der braucht kein duales Studium – im Gegenteil, der braucht sogar das „normale“ Studium.
akomag | ausgabe sommer 2017 | autoren: victor abs, ben grawe
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