Galleria Mellonella ist ziemlich unscheinbar. Sie ist klein, hat einen rundlichen, behaarten Körper und graue Flügel. Vielleicht ist sie deshalb auch eher unter dem weitaus weniger charmanten Namen Wachsmotte bekannt. Nichts an ihr lässt erahnen, dass sie das Potenzial zu einer biotechnischen Revolution haben könnte: Ihre Larven fressen nämlich Plastik und das offensichtlich mit einem riesigen Appetit. Besonders angetan hat es ihr dabei der am häufigsten verwendete und biologisch kaum abbaubare Kunststoff Polyethylen (PE). So unspektakulär ihre Gestalt, so zufällig war auch ihre Entdeckung: Die Italienerin Federica Bertocchini entdeckte in einer Mülltüte winzige Löcher, nachdem sie einige dieser Larven hineingeworfen hatte. Da sie selbst Wissenschaftlerin ist, war die Neugier geweckt und sie besah sich diese winzigen Tierchen genauer an. Und siehe da, tatsächlich; bevor die Motten aus den Tüten entflogen waren, hatten die Larven unzählige Löcher in die dünne Plastikschicht hineingefressen.
Später im Forschungslabor konnte Federica Bertocchini diese Beobachtung wiederholen und mit anderen Forschern im Experiment belegen: Demnach können rund 100 Wachsmotten-Larven in zwölf Stunden etwa 92 Milligramm einer normalen Einkaufstüte fressen. Schon nach 40 Minuten waren Löcher zu sehen. Dieses Tempo ist so beeindruckend, dass die Forscher ernsthaft hoffen, mit diesen Motten ein wirksames Mittel zum Abbau von Plastik gefunden zu haben – und das rein biologisch!
Larven, Maden und Bakterien
Das italienische Forschungsteam vermutet, dass für die Zersetzung des Plastiks ein Molekül oder ein Enzym verantwortlich ist, dass die Mottenlarve produziert. Wenn es also gelänge, dieses Enzym in großem Umfang zu produzieren, dann wäre es vielleicht in gar nicht allzu langer Zeit möglich, damit wirklich Plastikmüll abzubauen. Eine ähnliche Entdeckung hatte der japanische Wissenschaftler Jun Yang gemacht, als er vor wenigen Jahren eine Made namens Plodia interpunctella entdeckte, die ebenfalls Hunger auf Plastik verspürt. Jedoch war deren Fressgeschwindigkeit dermaßen langsam, dass man Milliarden dieser Maden bräuchte, um ein paar Plastiktüten abzubauen. Auch hatte ein anderer japanischer Forscher kürzlich ein Bakterium namens Ideonella entdeckt, das PET-Flaschen verdauen kann – leider ebenfalls sehr langsam und somit wenig effizient. Wie andere zuvor entdeckte „Plastikfresser“ ist auch Ideonella weit davon entfernt, eine Lösung für das globale Problem mit dem Plastikmüll zu liefern. Unter optimalen Bedingungen und bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius braucht es etwa sechs Wochen, um ein kleines Stück z.B. aus Plastikflaschen, die aus Polyethylenterephthalat (PET) bestehen, zu zersetzen. Noch scheinen also die Larven der Galleria Mellonella deutlich schneller bei der Zersetzung von Polyethylen zu sein. Doch angesichts der gut 140 Millionen Tonnen Polyethylen, die jedes Jahr weltweit produziert werden und zu dem bisherigen Plastikmüllbergen hinzukommen, sind die Grenzen einer biologischen Verwertung aber auch mit diesen Maden allzu deutlich sichtbar. Eine großtechnische Lösung lässt sich daraus jedenfalls kaum ableiten. Zumal die gewaltigen Plastikmengen insbesondere im Meer ständig weiter wachsen. Aber wer hat je schon eine schwimmende oder tauchende Motte gesehen?
Ozeane voller Mikroplastik
Hingegen kann man Billionen von Plastiktüten und Plastikflaschen sehen; überall – auf Müllhalden, an Autobahnen, in Wäldern und vor allem in den Weltmeeren. Im Meer wird der schwimmende Plastikabfall dann häufig von Fischen oder Vögeln gefressen, die oft qualvoll an dem für sie völlig unverdaulichen synthetischen Polymer verenden. Dieser aus Erdöl hergestellte Stoff wird maßgeblich zur Herstellung von den weltweit rund eine Billion Tüten pro Jahr benutzt, die insgesamt rund 60 Millionen Tonnen Plastik entsprechen und dessen Zersetzung mehrere Jahrhunderte dauern wird. Um das riesige Plastikmüllaufkommen einmal in Zahlen zu begreifen: Jährlich landen fünf bis 13 Millionen Tonnen Müll insbesondere durch falsches Abfallmanagement und achtlose Entsorgung von Müll in die Umwelt und hier vor allem in die Meere. Das hat drastische Folgen für die Meeresumwelt.
Mittlerweile wurden für mehr als 800 Arten von Meereslebewesen negative Auswirkungen durch Meeresmüll nachgewiesen. Dazu zählen das Verschlucken von Plastik und das Strangulieren in Müllteilen. An Stränden liegen dann die qualvoll verendeten Vögel und Fische inmitten von Plastikbergen. Ein weiteres, bisher noch unsichtbares und deshalb viel gefährlicheres Potential schlummert in den mikroskopisch kleinsten Plastikteilchen, die durch Bruch, Abrieb, Schreddern in die Ackerböden und auf den Meeresgrund gelangen. Diese nur noch in Nanoteilchen nachweisbaren Plastikmoleküle werden in die Nahrungskette der Tiere und zu guter Letzt in die des Menschen aufgenommen. Sicherlich wird demnächst auch in unseren Körpern Plastik nachgewiesen werden können. Was das für unsere Gesundheit bedeutet, mag man sich gar nicht ausdenken.
Die Hälfte der jährlich produzierten sechs Millionen Tonnen Plastikmüll entsteht durch Verpackungen. Dabei wären die meisten Einwegverpackungen leicht zu vermeiden – etwa durch Mehrweg bei Getränkeflaschen. Andere Abfälle sind die Konsequenz des Trends zu To-Go-Produkten. Hier ein Café Latte, da ein Chai – natürlich alles in Plastikbechern. Dabei gelten statistisch gesehen Kunststoffverpackungen sogar als vollständig „verwertet“. Knapp 50 Prozent wird „thermisch“ verwertet, also zur Energiegewinnung verbrannt. Nur die Hälfte wird „stofflich“ verwertet, das heißt recycelt, so dass aus 26 Prozent der PET-Flaschen z.B. neue Flaschen entstehen. Technisch könnte sehr viel mehr recycelt werden, doch dies ist derzeit weder wirtschaftlich, also finanziell interessant, noch gesetzlich vorgeschrieben – also fliegt recyclebares Plastik auf den Müll oder in‘s Wasser.
Plastikmüll vermeiden ist die beste Lösung!
Der Plastik-Verpackungsmüll stieg zwischen 1995 bis 2013 um 85 Prozent; Tendenz steigend. Bis also die kleine Wachsmotte diese Plastikberge für uns auffressen kann, müssen wir nach einer effizienteren Lösung suchen. Und die ist eigentlich ganz einfach! Weniger Plastik nutzen: Stofftaschen statt Plastiktaschen, kein Einwegplastik, sondern Porzellan, keine PET-Flaschen, sondern Glasflaschen, keine Kosmetik, Duschgels etc mit Mikroplastik, keine Acrylfarben, kein Café To-Go …
Autor: Victor Abs
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