Schönheit, so sagt man, sei etwas subjektives, ein für sich selbst definiertes Idealbild. Doch sobald man soziale Netzwerke wie zum Beispiel Instagram öffnet und Bilder, die dort veröffentlicht werden, mit unserer realen Welt vergleicht, erkennt man deutliche Tendenzen, die als Grundlage eines Schönheitsideals dienen. Es sind Bilder, die große Augen, volle Lippen, schmale Nase und dünne, aber definierte Körper als vermeintliche Schönheitsnormen propagieren. Die Entscheidungsträger, die auf diese Weise festlegen, in welche Richtung der nächste kurzlebige Körperkult gehen soll, sind sogenannte Influencer. Die digitalen Beeinflusser bestimmen mit ihren Fotos und Videos, was begehrenswert und schön sei. In ihrer Welt dienen Follower-Zahlen sowie Likes als Währung ihres Erfolgsgrades. Wer viele Follower hat, wird nicht nur von seiner Online-Community geschätzt, ermutigt und unterstützt, sondern auch von zahlreichen Marken. Heute entscheidet die Allgemeinheit über soziale Netzwerke, wer zum Star wird und wer nicht. Wer „beeinflussen“ darf, relevant ist, und wer nicht. Eine Plattform, auf der professionell bearbeitete Bilder hochgeladen werden, klingt zunächst nicht wirklich besorgniserregend, doch Influencer sind nicht nur ein geschickt eingesetztes Marketing-Werkzeug, um in erster Linie die junge Generation zu erreichen, sondern auch die Wegweiser, wenn es um Körperkult und Ideale geht.
Ashley Graham, die ein Plus-Size-Model und mit dem Hashtag beautybeyondsize und 7,9 Millionen Followern eine wahre Größe auf Instagram ist, bleibt eine Ausnahme in der von schlanken „Schönheiten“ beherrschten Influencer-Welt. Viel lieber folgt die junge Generation denen, die allein durch ihr äußerliches Erscheinungsbild die Attribute Disziplin, Willensstärke und Zielstrebigkeit zu verkörpern scheinen. Influencer, die diese Ideale scheinbar aufweisen, gelten als nachahmenswert und inspirieren sowie motivieren ihre Follower. Solche Bilder sind dann oft mit #no excuses oder #beatyesterday markiert und werden mit großer Begeisterung, durch Kommentare und einem regelrechten Herzregen (Likes) von der Community unterstützt. Posts rund um den Fitnesskult sollen, laut Influencern, andere motivieren, ihnen gleich zu tun und mit dem Ziel des Traumkörpers vor Augen Sport in den eigenen Alltag zu integrieren und nicht nur sporadisch, je nach Motivation, anzugehen.
Instagram wird tatsächlich als eine Art Motivationsportal gesehen, auf der neben perfekt inszenierten Fotos auch Challenges ausgetragen werden. Durch die Gemeinschaft fühlt man sich nicht nur bestärkt, sondern das Ziel scheint automatisch realistischer. „Was mein Idol, Bernd Bizeps 3000, erreicht hat, schaffe ich mit der nötigen Disziplin auch“, ist der Gedankengang eines Followers. Und das mit der Community als härteste Jury im Rücken, die durch Kommentare kritische Urteile verkündet. Wie bei so vielen Dingen ist auch hier das richtige Maß der Hingabe für seine Ziele notwendig. Leider dient Instagram nicht nur als positive Motivationsplattform, sondern bietet skurrilen, erschreckenden und in manchen Fällen schlicht unmenschlichen Körpertrends ein Netzwerk. So hat sich beispielsweise mit der Faust-und Frust-Formel “Egal was du tust, es ist nicht genug!“ die Thigh gap als erstrebenswertes Aussehensmerkmal, in erster Linie bei Mädchen, etabliert. Gemeint ist eine Lücke zwischen den Beinen, die ausschließlich bei dünnen Mädchen sichtbar werden kann. Dass Form und Figur von Natur aus festgelegt sind und jeder unterschiedlich gebaut ist, wird dabei außer Acht gelassen. Während manche Mädchen durch den gegebenen Körperbau das „Glück“ haben, eine solche Thigh gap zu besitzen, hungern sich andere dafür herunter. Ein weiterer fataler Trend ist auch die DIN A4-Taille, die erst mit der Breite eines Hochkant-Formates eines DIN A4-Blattes (21 cm breit) erreicht ist.
Neben solchem obskuren Körperkult gehen aus den Netzwerken auch Wortneuschöpfungen hervor. Dies können dann beispielsweise neue Phänomene rund um den Körper sein, die auf stark verkürzten Erkenntnissen der Medizin oder reiner Scharlatanerie basieren. Der paradoxe Terminus #skinny fat geht einen Schritt weiter und klagt die Schlanken an, die keine definierte Muskulatur vorzuweisen hätten. So wird aus der vermeintlichen motivationsfördernden, inspirierenden Plattform eine lupenreine Frustmaschine.
In der digitalen Welt, in der beurteilt, kritisiert und kommentiert wird, scheint es für den Einzelnen unmöglich, nur ansatzweise die vorgegebenen Schönheitsnormen der anderen zu erfüllen. Die manipulative Gabe von Instagram, hochgeladene Bilder als einen spontan eingefangenen Schnappschuss unserer Realität zu inszenieren, lässt viele an diesem Selbstoptimierungsdruck verzweifeln. Scrollt man erst einmal durch die Galerie lauter „Schönheiten“, versucht man dem eigenen Spiegelbild zu entfliehen. Nimmt dieser Druck extreme Züge an, bei denen lediglich der optische Makel im Mittelpunkt steht, so können Körperdysmorphobien oder Schönheits-OPs schließlich Ergebnisse sein, in denen sich der Drang, das vermeintliche Ideal zu erfüllen, äußern – dabei ist der virtuelle Perfektionismus nicht nur das Endprodukt viel harter Arbeit, Zeit, Kalkül, sondern oftmals auch verschiedener digitialer Facetuning-Apps.
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die Definition der subjektiv definierten Schönheit ganz im Gegensatz zu den vermeintlichen Schönheitsidealen steht, deren Grundsteine durch soziale Medien gelegt werden. Dieser Artikel, der in erster Linie Licht auf die Schattenseiten der sozialen Medien sowie die Funktion der Influencer wirft, soll nicht abschrecken sondern sensibilisieren. Soziale Netzwerke können durchaus inspirieren und Anstoß bedeutender Trends und Bewegungen sein, doch es ist unsere Pflicht, eine Plattform zu hinterfragen, der es gelingt, uns und vor allem unser Selbstbild zu manipulieren. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass die digitale Welt nicht gleich die reale Welt ist. Es sind gerade die Unterschiede, die jeden Einzelnen besonders machen – und um das ganze mit einem Appell, der zugleich Hashtag-würdig ist, abzuschließen, möchte ich euch daran erinnern, dass #Character-Schönheit am schönsten ist!
Autorin: Sophie Tollmann
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