Am Donnerstag, dem 22. Februar, hatten Schüler der Q2 des Friedrich-Ebert-, des Ernst-Moritz-Arndt- des Clara-Fey-Gymnasiums und des Aloisiuskollegs die einmalige Chance, an einem Vortrag und einer darauf folgenden Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen Botschafter Deutschlands in Moskau, Rüdiger von Fritsch, teilzunehmen. Während die Schüler Leander Sobotka, Marlene Dumath, Paolo Mazza Martin, Elijah Wulf, Emil Liczner und ich die Aufgabe übernahmen, als Moderatoren und Diskussionspartner von Herrn von Fritsch zu fungieren, konnten die anderen Schülerinnen und Schüler gegen Ende der Diskussion Fragen im Plenum stellen.
In der Veranstaltung sprach Herr von Fritsch vor allem über sein Buch „Die Sache mit Tom“, seine Zeit als Botschafter in Warschau und Moskau sowie über aktuelle außenpolitische Themen, insbesondere über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den politischen Kurs Putins.
Die Sache mit Tom
Als erstes ging Herr von Fritsch dabei auf sein Buch „Die Sache mit Tom“ ein, in dem es um die Fluchtgeschichte seines Cousins Thomas aus der DDR geht. Rüdiger und sein Bruder Burkhardt von Fritsch hatten dabei tatkräftig mitgeholfen. Trotz der beinahe täglichen Berichte über gescheiterte Fluchtversuche ließen sich die Brüder und ihr Cousin sowie dessen Freunde nicht beirren und planten weiter die Flucht. Herr von Fritsch betonte, dass ein gewisser jugendlicher Leichtsinn und ein „den zeigen wir’s erst recht“-Gedanke sie in ihrem Handeln bestärkt habe, ebenso wie sein christlicher Glaube, der ihn dazu verpflichte, Menschen, die in Not seien, zu helfen. Allerdingsihm sie
Der „kleine Werbeteil“
Überdies hob Herr von Fritsch zu Beginn seines etwa fünfzehnminütigen Vortrags die ZIS Stiftung für Studienreisen hervor, durch die er sich als junger Erwachsener eine Reise nach Zypern und eine Weltreise mit dem Ziel Neuseeland finanziert hatte. Solche Reisen seien vor allem zwei Dinge gekennzeichnet: Erstens gehe immer etwas schief, und zweitens lerne man in dieser Notlage dann, mit Situationen fertig zu werden, von denen man gar nicht annehmen würde, dass man sie bewältigen könne. Dies sei ein „tolles Gefühl“.
Der bestimmte Typ für das Auswärtige Amt
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde Herr von Fritsch vor allem über seine Arbeit beim Auswärtigen Amt ausgefragt. Auf die Frage, welche Qualifikationen man für die Arbeit als Diplomat benötige, antwortete von Fritsch, dass es dem Auswärtigen Amt bei der Einstellung von neuem Personal weniger um bestimmte Qualifikationen wie z.B. Abschlüsse oder Studiengänge gehe, als vielmehr um das Finden eines bestimmten Typus von Menschen. Man suche vor allem Leute, die Interesse an anderen Menschen und Kulturen zeigen würden und dazu noch gut improvisieren könnten.
Von Fritschs Zeit in Warschau
Während seiner Zeit in Warschau, so von Fritsch, seien die westdeutschen Diplomaten beliebter gewesen als ihre Kollegen aus der DDR. Die polnische Bevölkerung hätte diesen das Bekenntnis zum Sozialismus und die Distanzierung von der Vergangenheit ihres Landes nicht abgenommen. Generell habe sich ein großer Teil der polnischen Bürgerinnen und Bürger nicht mit dem Sozialismus identifizieren können und somit auch nicht mit ihren „sozialistischen Brüdern“. In diesem Zusammenhang berichtete Herr von Fritsch auch von seinem Besuch in der DDR-Botschaft in Warschau, bei dem der damalige Botschafter ihm nur das vorgetragen habe, wozu er befugt gewesen sei, zu groß sei seine Angst vor einem ernsthaften Gespräch mit einem westdeutschen Diplomaten gewesen.
Fritsch zur aktuellen politischen Lage Russlands
Später beantwortete Herr von Fritsch auch aktuell-politische Fragen. So beantwortete er die Frage, warum Putin öffentlich aussage, dass er Biden als Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump vorziehe. Schließlich habe Trump angekündigt – so die Schülerinnen – , die NATO-Länder, die ihren Beitrag nicht zahlen würden, nicht zu beschützen. In einer Rede habe er Putin sogar dazu ermutigt, solche Staaten anzugreifen. Putin leiste an dieser Stelle aktive Wahlkampfhilfe für Trump – so von Fritsch – , da dieser nun behaupten könne, dass Putin hinter Biden stehe. Auf die Frage, ob er eine Möglichkeit sehe, dass das politische System in Russland in naher Zukunft gestürzt werde, antwortete er, dass es unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich sei. In Russland gäbe es einen ungeschriebenen Vertrag zwischen der Bevölkerung und den Mächtigen, welcher besage, dass sich das Volk nicht in die Angelegenheiten der Politik einmische und die Politik dafür für das Volk sorge. Wenn letzteres, aus Sicht des Volkes, nicht der Fall sei, könne es zu Empörung gegenüber dem Regime kommen. Als möglichen Auslöser von zukünftigen innenpolitischen Unruhen in Russland sieht von Fritsch daher unter anderem russische Mütter, die ihre Söhne im Angriffskrieg auf die Ukraine verloren haben. Auf jeden Fall sei es aus Sicht von Fritsch notwendig, dass sich die einfache Bevölkerung gegen das System Putins stellt und nicht etwa einzelne Politiker oder Intellektuelle. Wie es zu solch massentauglichen Unruhen oder Bewegungen innerhalb der russischen Gesellschaft kommen würdeund wodurch sie letztendlich ausgelöst werden könnte, sei für Putin nur schwer abzusehen und daher eine Gefahr. Um zu untermauern, wie plötzlich solche massentauglichen Bewegungen auftreten können und wie schwierig sie für ein politisches System zu vermeiden seien, zitierte von Fritsch den ostdeutschen Schriftsteller Erich Loest, von dem der berühmte Satz „(…) wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete“ stammen würde. Die DDR und auch die sozialistische Regierung in Polen seien demnach durch eine Bewegung aus dem Volk zugrunde gegangen. Diesbezüglich fragte ein Schüler Herrn von Fritsch, wie er den Tod Nawalnys und das Auftreten seiner Frau in den Medien einordne. Herr von Fritsch entgegnete darauf, dass er nicht glaube, dass der Tod Nawalnys oder das aktuelle Auftreten seiner Frau große Proteste hervorrufen könnte, da die Bevölkerung Russlands einerseits eher politikverdrossen sei und überdies nur im großen Stil protestiere, wenn ein Großteil der Russinnen und Russen merke, dass ihnen persönlich vom Staat geschadet würde. Außerdem müsse eine Bewegung, die den Umbruch des Staates herbeiführe, innerhalb Russlands entstehen. Dies sei ein Problem, da die meisten russischen Kreml-Kritiker sich momentan außerhalb von Russland aufhalten würden.
War Putins Angriffskrieg auf die Ukraine wirklich nicht vorhersehbar gewesen?
Alles in allem war es ein sehr lehrreicher Nachmittag für uns Schülerinnen und Schüler, da wir die Möglichkeit hatten, mit einem ehemaligen Botschafter und Diplomaten über aktuelle politische Themen zu sprechen, einen kleinen Einblick in die Denkweise der russischen Gesellschaft zu erhalten, um Putins Russland besser zu verstehen, und gleichzeitig mit einem Zeitzeugen über seine persönliche Fluchtgeschichte aus der DDR zu sprechen. Allerdings lässt sich die Behauptung von Fritsch, dass Putins Angriffskrieg lange Zeit nicht vorhersehbar gewesen sei, dahingehend kritisieren, dass Putin bereits 2014 die Krim annektiert hatte und man damals schon weitreichendere Maßnahmen gegen das russische Regime hätte treffen können. Vermutlich hat das zögerliche Verhalten des Westens ab dem 20. Februar 2014 Putin in seinen expansionistischen Vorstellungen gestärkt.
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