Wir von akomag haben der Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Katja Dörner, Fragen zu den Herausforderungen als Oberbürgermeisterin einer geschichtsträchtigen und internationalen Stadt, ihren Zielen, ihrem Rat für junge Menschen und ihrem Lebensmotto befragt. Frau Dörner, die seit 2023 auch Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages ist, ist in Siegen geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn. Wir danken Frau Dörner für die Möglichkeit, sie zu interviewen.
- Warum hatten Sie sich für eine Kandidatur zur Oberbürgermeisterin der Stadt Bonn entschieden? Sie waren davor erfolgreiche Bundestagsabgeordnete.
Als Bonner Bundestagsabgeordnete war ich viel in der Stadt unterwegs und habe gesehen, dass viele innovative Ideen nicht zum Tragen gekommen sind. Das wollte ich ändern. Es war damals eine sehr bewusste Entscheidung, nachdem ich elf Jahre im Bundestag saß. Denn Klimaschutz und Mobilitätswende entscheiden sich ganz zentral auf kommunaler Ebene, in den Städten und Gemeinden. In den Kommunen wird etwa die Sozialpolitik konkret umgesetzt und die Menschen an den Prozessen und dem Wandel beteiligt.
- Was ist das Besondere als Oberbürgermeisterin einer geschichtsträchtigen, internationalen Stadt?
Gerade in der geschichtsträchtigen Stadt Bonn spielt die Vergangenheit aber auch die Zukunft immer eine Rolle. Das ist eine große Verantwortung. Ich möchte mit den Erfahrungen und Stärken in unserer Geschichte die Zukunft gestalten. Ich empfinde vor diesem Hintergrund stark die Verantwortung dafür, dass sich unsere Stadt gut entwickelt und wir die Herausforderungen unserer Zeit wie die Klimakatastrophe wirklich angehen. Allein werden wir den Klimawandel nicht aufhalten können, sondern nur, wenn wir weltweit zusammenarbeiten. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit meinen Kolleg*innen weltweit, bspw. im Städtenetzwerk ICLEI, ist immer sehr bereichernd.
- Was hatten Sie sich vor Ihrem Amtsantritt für Ihre Zeit als Oberbürgermeisterin vorgenommen und was haben Sie bislang schon alles erreicht?
Ich denke, ambitionierte Ziele sind wichtig. Klimaneutralität bis 2035, die Realisierung der Mobilitätswende, die Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030 und die Stärkung der Rechte und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen. Und natürlich vieles mehr.
Mit dem Bonner Klimaplan, den der Stadtrat im März 2023 beschlossen hat, beschreiten wir den Weg zur Klimaneutralität. Er ist unser Fahrplan und besteht aus einer Klimaneutralitätsstrategie für die Gesamt-Stadt Bonn und einem konkreten Arbeitsprogramm Klimaschutz für die Verwaltung für die nächsten drei Jahre. Mit der Solarpflicht für Neubauten und dem Förderprogramm Photovoltaik sind ganz zu Beginn meiner Zeit als Oberbürgermeisterin zwei wichtige Beschlüsse gefasst worden.
Die Mobilitätswende wurde gestartet, das heißt mehr Platz für Fußgänger*innen, Radverkehr und den öffentlichen Nahverkehr. Zusammen mit Bonner*innen erarbeiten wir mit dem Projekt „Bönnsche Viertel“, wie der Verkehr von morgen aussehen kann und wie die einzelnen Viertel attraktiver werden können, etwa mit neuem Raum für Begegnung, Spiele und Freizeit.
Dieses Jahr haben wir die Offensive zur Überwindung von Wohnungslosigkeit gestartet. Denn Wohnen ist ein grundlegendes Menschenrecht. Das ist für mich ein wichtiger Schritt hin zu einem sozial gerechteren Bonn, in dem bis 2030 Wohnungslosigkeit überwunden ist.
Mit der Kinderfreundlichen Kommune haben wir in Bonn ein Projekt auf den Weg gebracht, mit dem wir die Bedürfnisse und Rechte der Kinder und Jugendlichen stärker in den Fokus rücken. Wir wollen dafür sorgen, dass die Stimmen der jungen Menschen nicht nur gehört werden, sondern auch ein echtes Gewicht für die Entscheidungen der Stadtverwaltung haben. Dabei sind wir aber auch auf die Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen angewiesen. Wenn ihr euch da einbringen wollt, könnt ihr euch die Angebote der Stadt unter www.bonn-macht-mit.de/jugend anschauen.
- Haben sich Ihre Ziele im Laufe der Zeit verändert und wenn ja, warum?
Ende 2020 habe ich angefangen als Oberbürgermeisterin für Bonn zu arbeiten. Das war Mitten in der Corona-Pandemie. Der Starkregen 2021 hat für ein schlimmes Hochwasser insbesondere im Ahrtal gesorgt, aber auch Bonn und die Nachbarstädte waren betroffen. Im Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen, deswegen sind viele Ukrainer*innen auch nach Bonn geflüchtet. Meine derzeitige Amtszeit ist von vielen Herausforderungen geprägt.
Trotzdem müssen wir unseren Beitrag leisten, die Klimakatastrophe in den Griff zu bekommen und unsere Ziele zur Klimaneutralität erreichen.
- Was war als Oberbürgermeisterin Ihre schwerste Entscheidung und wie sind Sie damit umgegangen?
Entscheidungen in der Stadt trifft in erster Linie der Stadtrat. Als Oberbürgermeisterin schlage ich dem Stadtrat Maßnahmen vor und setze seine Entscheidungen um. Das ist sicherlich wichtig zu wissen. Ich fand es beispielsweise eine sehr schwere Entscheidung, aufgrund des massiven Personalmangels in den Kindertagesstätten vorzuschlagen, den Betreuungsumfang in einigen Kitas einzuschränken. Wichtig ist immer, offen und klar zu kommunizieren.
- Was schätzen Sie besonders an der Stadt Bonn und den Bürgerinnen und Bürgern?
Das ist einfach: Die Weltoffenheit und Internationalität von Bonn, den Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft.
- Wie sehen Sie Bonn in 10 Jahren?
Bonn ist auf dem Schlussspurt zu Klimaneutralität.Fußgänger*innen und Radfahrende haben mehr Platz in der Stadt, auf den Straßen treffen sich Menschen unter einem der vielen Bäume. Es wohnen viele verschiedene Menschen friedlich zusammen in der Stadt. Dafür müssen wir alle gemeinsam noch einiges tun.
- Hat Sie Politik schon als Schülerin begeistert?
Anfang der 1990er Jahre gab es eine Welle rassistischer Gewalttaten in Deutschland. Die Angriffe in Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen sind bis heute noch in trauriger Bekanntheit. Es hieß wir hätten keinen Platz mehr. Dieser Verlust von Solidarität und Nächstenliebe hat mich politisiert. Meine erste politische Aktion war eine Unterschriftensammlung mit 16 Jahren an meiner Schule gegen das Einschränken des Asylrechts im Grundgesetz. Viele meine Mitschüler*innen haben damals unterschrieben. Es war ein Versuch, Menschen eine Stimme zu geben, die keine haben. Die Unterschriftensammlung war – erwartungsgemäß – nicht erfolgreich, die Änderung hat stattgefunden. Aber es war eine sehr prägende Zeit, die mich zu einem politischen Menschen gemacht hat.
- Was empfehlen Sie politisch interessierten Schülerinnen und Schülern?
Werdet aktiv und setzt euch für eure Themen ein. Am einfachsten ist es, wenn ihr euch Verbündete sucht. Das stärkt euch nicht nur gegenseitig, es macht auch Spaß. Vielleicht findet ihr Verbündete unter euren Mitschüler*innen, ansonsten gibt es viele Jugendverbände und -vereine, vielleicht interessiert euch auch eine politische Jugendorganisation.
Mein Tipp: nehmt euch eine*n Freund*in mit und schaut euch verschiedene Sachen an.
- Womit würden Sie sich richtig gut auskennen wollen?
Tatsächlich würde ich mich gerne besser mit klassischer Musik auskennen. Beethoven, klar, den kenne ich als Bonner Oberbürgermeisterin, aber darüber hinaus ist das doch etwas mau.
- Welchen Rat möchten Sie Schülerinnen und Schülern für Ihren Lebensweg gerne geben?
Setzt euch für eure Themen ein und bleibt hartnäckig. Ihr seid nicht allein, sucht euch Verbündete. Macht das, was Euch wirklich wichtig ist, denn nur darin ist man auch richtig gut und findet Freude daran.
- Auf welche Rituale können Sie nicht verzichten?
Natürlich auf den Straßenkarneval ab Weiberfastnacht.
- Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Das eine Motto gibt es nicht. Politisch hat mich immer so richtige Spruch auf einem alten Wahlplakat der Grünen begleitet:
Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.
Leonard Dorf
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