,,Oh ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“
Diese Worte stammen aus dem weltberühmten Tagebuch der Anne Frank und wenn man eines sagen kann, dann dass sich der Wunsch der zum Zeitpunkt der Äußerung gerade einmal 14-jährigen Anne definitiv erfüllt hat.
Anne Frank wurde am 12.6.1929 in Frankfurt am Main geboren und emigrierte mit ihrer jüdischen Familie 1934, nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, nach Amsterdam.
Die meisten Schüler*innen wissen sicher, wie es Anne und ihrer Familie in Amsterdam erging; so zum Beispiel, dass sie dazu gezwungen waren ein Leben im Untergrund, genauer in einem Hinterhaus in der Prinsengracht 263 gemeinsam mit vier weiteren Untergetauchten zu führen, welche aus demselben Grund dort Unterschlupf suchten. Trotz ihres Versteckes wurden sie entdeckt, verraten, verhaftet und mit dem letzten Transport am 3. September 1944 nach Auschwitz deportiert.
Überlebt hat nur einer von ihnen, und zwar Annes Vater, Otto Frank. Dieser entschied sich letztlich auch dafür, das Tagebuch seiner Tochter der Öffentlichkeit preiszugeben und damit den Menschen einen Einblick in ihr Leben zu gewähren.
Während der Kursfahrt nach Amsterdam bekamen wir die Gelegenheit das Anne Frank Haus zu besichtigen und diesen geschichtsträchtigen Ort selbst zu erleben.
Aufgeteilt ist das Haus in einen Abschnitt, der als Museum aufbereitet ist und durch den die Besucher mithilfe eines Audioguides geführt werden. In dem anderen Abschnitt konnte man die tatsächlichen Räumlichkeiten, in denen die Familie Frank, Familie van Pels und Fritz Pfeffer über zwei Jahre lebten, selbst einmal betreten. Auf die eigentliche Geschichte der Untergetauchten wurde im Museumsteil noch einmal genauer eingegangen. Dies war für einige von uns nichts Neues, da wir uns bereits im Unterricht, aber auch außerhalb des Unterrichts mit der Geschichte Anne Franks auseinandergesetzt hatten.
Nach der Verhaftung der Familien entfernte man die Möbel aus dem Hinterhaus und Otto Frank entschied, dass man diesen Zustand erhalten solle. Anhand von Skizzen und Zeichnungen war es uns aber dennoch möglich, uns vorzustellen, wie die Räumlichkeiten wohl ausgesehen haben mussten.
Die Fläche des Versteckes schien uns zunächst einmal, in Anbetracht dessen, dass man es zwei Jahre lang nicht entdeckt hatte, groß. Wenn man sich jedoch vorstellt, auf so kleinem Raum 761 Tage lang leben zu müssen, wirkt das Versteck erscheckend beengend.
Am eindrucksvollsten wirkten jedoch die Zitate aus dem Tagebuch Annes auf uns, die immer wieder an die Wand projiziert wurden.
Es war berührend und erschreckend zugleich zu lesen, dass Anne sich auf der einen Seite mit so alltäglichen Themen wie Streitereien, der Liebe, ihren Zukunftsträumen und dem Erwachsenwerden befasste und auf der anderen Seite von einem Krieg berichten musste, in welchem Millionen von unschuldigen Menschen ermordet wurden. Dabei muss ihr wahrscheinlich immer im Hinterkopf gewesen sein, dass sie einer von diesen Menschen sein wird, wenn man sie jemals entdecken würde.
Als wir uns diese Zitate durchlasen dachten wir nur eines „Wieso muss sich ein Mädchen, genauer noch ein Kind in diesem Alter mit Themen wie Krieg, Mord und Tod auseinandersetzen?“.
Der Gedanke war und ist erschreckend, vor allem, weil wir uns alle mit ihr in gewisser Art und Weise identifizieren können, schließlich waren wir alle schon einmal in diesem Alter. Der einzige Unterschied ist nur, dass sich keiner von uns jemals in solch einer Situation befinden musste.
Noch kurz vor dem Besuch dachten wir, dass wir wüssten was uns erwartet, doch in diesem Punkt hatten wir uns gewaltig geirrt. Jeder von uns verließ das Museum erschüttert und in den ganz eigenen Gedanken versunken. Den Blicken nach zu urteilen, ging es den anderen Besuchern ähnlich.
Das Gefühl in den Räumen zu stehen, in denen vor 78 Jahren noch acht Menschen lebten und sich versteckten und gleichzeitig zu wissen, dass sieben von ihnen durch die Nazis auf grausamste Art und Weise umkamen, kann man nicht beschreiben; es hat uns nicht nur während des gesamten Besuchs, sondern auch noch nach diesem begleitet und so schnell wird den Besuch wahrscheinlich auch keiner von uns vergessen können.
Am Abend nach dem Besuch unterhielten wir uns noch lange darüber, ob es nun wichtig sei, dass wir das Tagebuch kennen und inwiefern es unserer Gesellschaft von Nutzen ist, dass es geschrieben und veröffentlicht wurde, schließlich sind alle Untergetauchten bereits verstorben und sieben der acht Menschen durch die Nazis.
Anne wird heutzutage häufig als Symbol für die Unmenschlichkeit des Völkermords an den Juden gesehen und dennoch bleibt die Frage: ,,Warum beschäftigen wir uns mit Annes Geschichte und warum sollte sie nicht vergessen werden?“
Ein Schüler einer anderen deutschen Schule, welcher zeitgleich mit uns das Haus besichtigte, sagte, während wir gerade vor dem Wandschrank standen und darauf warteten, das Versteck betreten zu können: ,,,Was interessiert mich jemand, der seit Jahren unter der Erde liegt?“. Diese Aussage macht uns noch immer sprachlos und hat uns auch dazu bewogen zu erläutern, warum diese Gedenkstätte, das Tagebuch und das Erinnern an Otto Frank, Edith Frank, Margot Frank, Anne Frank, Hermann van Pels, Auguste van Pels, Peter van Pels und Fritz Pfeffer nach wie vor unglaublich wichtig ist und immer sein wird.
Die Zeit des Krieges, Mordes, Hasses, der Diskriminierung und der Intoleranz ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg leider noch nicht beendet und verfolgt uns auch wieder ganz aktuell.
Der Krieg in der Ukraine, welcher das Leben von Zivilist*innen gefordert hat und noch immer fordert, die Wahl einer rechtspopulistischen Regierung in Italien und Schweden, das Erstarken der AfD in Deutschland: All dies sind Zeichen dafür, dass die Menschen noch immer nicht aus unserer grausamen Geschichte gelernt haben und wir wohl auch niemals dagegen gefeit sein werden, dass so etwas noch einmal passieren kann.
Und genau deswegen ist jede einzelne Person, die im Widerstand war oder ist und die uns die Erlebnisse der damaligen Zeit näher bringt, von unglaublicher Bedeutung, denn wir dürfen niemals vergessen, was geschehen ist und was immer wieder geschehen kann.
Nur so können wir aus unseren Fehlern lernen und versuchen sie nicht zu wiederholen.
Wir würden jedem von euch den Besuch des Anne-Frank-Hauses ans Herz legen!
Verfasst von Lilli Schutz & Sahra Waßner (Q2)
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