Seit nun mehr als anderthalb Jahre dauert der Ukrainekrieg bereits an und von dem Kriegsbeginn im Februar 2022 an hat sich viel, nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt, sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich verändert. So wurden seither elf Sanktionspakete von der Europäischen Union (EU) mit der Unterstützung zahlreicher westlichen Partner gegen Russland verhängt. Das Ziel dieser Sanktionen war und ist es, Russland zu einer Beendigung des Krieges zu drängen.
Jedoch vermitteln die neuesten wirtschaftlichen Daten den Anschein, als hätten die Sanktionen ihr Ziel verfehlt. Vor allem Deutschland wurde durch die hohe Abhängigkeit von Importen von Energieträgern aus Russland wirtschaftlich stark getroffen und scheint, durch die Sanktionen mehr sich selbst als Russland geschadet zu haben. So fällt laut einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) das Wirtschaftswachstum in Russland mit 1,5 % höher aus als im Euroraum, wo der Wert bei 0,9% liegt. In Deutschland ging die Wirtschaftsleistung sogar um 0.3% zurück. 2024 soll zwar das Wachstum im Euroraum um 0,2 Prozentpunkte höher sein als in Russland, jedoch prognostiziert der IWF für Russland und Deutschland den gleichen Wert von 1,3% Wirtschaftswachstum.
Haben die Sanktionen also versagt? Zunächst lassen sich einige Kriterien für die Effektivität von Sanktionen festlegen. So kommt es insbesondere auf die Menge der beteiligten Nationen und die Anzahl der betroffenen Güter an, welche sanktioniert werden. In Bezug auf Russlands beteiligen sich vor allem die westlichen Nationen sowie Japan und die osteuropäischen Volkswirtschaften an den Sanktionen. Länder, wie China, Indien oder der Irak dagegen, ersetzen diese Staaten als Abnehmer der russischen Rohstoffe, inklusive Erdöl, Erdgas und Kohle. Bezüglich eines Exportembargos der sanktionsverhängenden Länder spielt besonders China eine wichtige Rolle, da das Land als Lieferant für die vom Westen sanktionierten Güter einspringt. Die Anzahl der durch den Westen sanktionierten Güter ist hingegen sehr flächendeckend. Besonders betroffen sind die russischen Rohstoffe, jedoch inkludieren die Sanktionen auch ein Exportembargo von hochwertigen Produkten, wie Halbleitern. Güter, welche nicht sanktioniert werden, sind dagegen beispielsweise pharmazeutische Produkte, da sich ein solches Embargo gegen die Bevölkerung und nicht nur das Regime richten würde.
Auch die Geschwindigkeit der Umsetzung von Handelssanktionen ist wichtig, da bei einer höheren Geschwindigkeit die betroffenen Staaten weniger Möglichkeiten zur Vorbereitung haben.
Schließlich sind Sanktionen noch bei größeren Volkswirtschaften weniger effektiv, da sie durch einen großen Binnenmarkt weniger auf Importe angewiesen sind. Auch hier hat Russland als weltweit elftgrößte Volkswirtschaft einen Vorteil. Hinzu kommt noch, dass Sanktionen generell schneller bei Demokratien wirken, da diese schneller einknicken, was jedoch bei Russland als autoritäres Regime gerade nicht der Fall ist.
Auch muss man, um die Frage der Effektivität beantworten zu können, die zentralen Funktionen internationaler Sanktionen verstehen. Die Ziele dieser sind es, erstens eine Verhaltensänderung zu erzwingen (coercing), zweitens die Handlungsfähigkeit der betroffenen Staaten zu beschränken (constraining) und letztlich ein normatives Signal zu senden (signalling). Diesbezüglich soll ein normatives Signal vor allem die Folge einer Zunahme regimekritischer Proteste haben. In Russland sind Massenproteste jedoch wegen der staatlichen Repression ausgeblieben.
Auch die Einschränkung der Handlungsfähigkeit Russlands scheint laut der Wachstumszahlen auf den ersten Blick nicht zu funktionieren. Allerdings ist zu beachten, dass laut des ehemaligen Energieministers Russlands und dem heutigen Oppositionspolitiker Vladimir Milow die russische Wirtschaft weit weniger widerstandsfähig ist als es die klassischen makroökonomischen Indikatoren andeuten.
So ist anzumerken, dass die Produktionssteigerung im Bereich der Rüstungsgüter auftritt und nicht im Bereich der Konsumgüter. Im Gegenteil kann diese Produktionssteigerung zur Knappheit bei den Konsumgütern führen, da die jeweiligen Produktionsgüter anderweitig verwendet werden.
Auch die starke Kapitalflucht und die trotz der „Reserveabnehmerstaaten“ rückläufigen Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Energieträger haben negative Auswirkungen auf die Entwicklung der russischen Wirtschaft.
Schließlich lässt eine Arbeitslosenquote von 4% zunächst auf eine hohe Erwerbstätigkeit schließen. Jedoch wird hier nicht die Zahl der unbezahlt beurlaubten Erwerbstätigen berücksichtigt, womit die Arbeitslosenquote bei ca. 10% läge.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Sanktionen keineswegs erfolglos waren. Zwar haben sie noch nicht die erwünschte politische Wirkung in Form einer Verhaltensänderung durch Beendigung des Krieges erzielt, jedoch zeigen sich durchaus ökonomische Wirkungen, welche längerfristig der russischen Wirtschaft schaden werden. Den größten Einfluss auf die fortlaufende Wirkung hat besonders China in seiner Position als stärkster Handelspartner Russlands.
Auch allgemein zeigt sich am Beispiel Russlands, dass das Konzept der Sanktionen keineswegs in sich fehlerhaft ist. Jedoch benötigt man bestimmte Voraussetzungen und einen gewissen Zeitraum, was in Russland nun einmal teilweise nicht gegeben ist, damit die Sanktionen ihre volle Wirkung erzielen können.
Quellen:
International Monetary Fund: World Economic Outlook Update, Juli 2023.
Petersen, Thieß, Andreas Nölke, Michael Rochlitz, Julia Grauvogel, Filip Medunic, Kai A. Konrad und Marcel Thum: Ifo SCHNELLDIENST: Sanktionen gegen Russland: Wurde ihre Wirkung überschätzt?, Mai 2023.
Bildquellen:
https://ed-md.eu/oel-embargo-der-eu-gegen-russland-in-greifbarer-naehe/ (Stand: 05.11.2023)
Verfasser: Mathis Arnold
Keine Kommentare