Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: jeden Monat 1200 Euro, ohne dass man etwas dafür tun muss. Aber was würde ein bedingungsloses Grundeinkommen mit uns machen? Wäre damit Faulheit Tür und Tor geöffnet oder wären Menschen sogar kreativer, fleißiger und könnten sich selbst verwirklichen? Solche Fragen versucht ein gemeinsames Forscherteam des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern und des Vereins „Mein Grundeinkommen“ mithilfe eines Experiments zu beantworten, in dessen Rahmen 122 Personen drei Jahre lang monatlich ein Grundeinkommen von 1200 Euro beziehen. Die Organisatoren des Projektes erhoffen sich durch die Studie neue Erkenntnisse, die zu einer großangelegten Umgestaltung des Sozialstaates führen könnten.
Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens ist dabei beileibe kein neues. Die erste Erwähnung einer nicht an Bedingungen geknüpften Existenzsicherung reicht bis in das sechste Jahrhundert vor Christus zurück. So war in der Verfassung Spartas festgeschrieben, dass der herrschenden Minderheit der Spartiaten alle lebensnotwendigen Güter garantiert sind – und das ungeachtet ihrer Bedürftigkeit oder Arbeitsleistung. Auf Frauen, Angehörigen anderer Stände und Sklaven traf diese Form einer bedingungslosen Existenzsicherung dagegen nicht zu. Im 18. Jahrhundert griff auch der französische Philosoph und Staatstheoretiker Montesquieu die Idee bedingungsloser Leistungen des Staates für seine Bürger auf, indem er dessen Verpflichtung betonte „allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt“, zu garantieren.
Auch wenn die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) damit schon jahrhundertealt ist, wurde sie zumindest in Deutschland zu keinem Zeitpunkt mit so großer Intensität und Emotionalität geführt, wie es in den letzten Jahren der Fall war, wobei sie durch die wirtschaftliche Not infolge der Corona-Pandemie wohl noch weiter an Fahrt aufgenommen hat. In einer Umfrage des MDR sprachen sich dabei im August 2020 55% der Befragten für ein BGE aus, während 43% dessen Einführung nicht für sinnvoll erachteten. Auch die Politik ist sich über das bedingungslose Grundeinkommen uneinig. Während die Union „sozialistischen Ideen wie einem bedingungslosen Grundeinkommen“ eine klare Absage erteilt, zeigen sich vor allem die Linke und die Grünen der Idee eines BGEs nicht abgeneigt. Im Jahr 2020 bekannten sich letztere in ihrem Grundsatzprogramm sogar ausdrücklich zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Die Debatte um ein BGE wird dabei nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt geführt. Dementsprechend gab es in anderen Ländern bereits Versuche, mithilfe derer die Effekte eines Grundeinkommens auf die Bürger eines Landes untersucht werden sollten. In Finnland erhielten beispielsweise 2000 Arbeitslose über zwei Jahre ein BGE von monatlich 560 Euro. Zwar zeigte sich, dass die Teilnehmer durch das Grundeinkommen zufriedener waren und seltener unter psychischer Belastung, Depressionen, Traurigkeit und Einsamkeit litten, die Beschäftigung erhöhte sich jedoch weniger stark als gehofft, sodass die finnische Regierung vorerst Abstand von der Idee eines BGEs nahm. Auch in Kenia wurde das Grundeinkommen im Rahmen einer Langzeitstudie bereits erprobt. Jedoch sind die Ergebnisse solcher Studien nur begrenzt auf die Situation in Deutschland übertragbar. „Bisherige weltweite Experimente sind für die aktuelle Debatte in Deutschland weitgehend unbrauchbar“, betont Jürgen Schupp, Forscher am Deutschen Institut für Wirtschaft in Berlin. Grund dafür ist neben den unterschiedlichen wirtschaftlichen und demographischen Umständen auch die Methodik der Experimente. So wurde das Grundeinkommen in der finnischen Studie beispielsweise nur an arbeitslos gemeldete Bürger ausgezahlt und der Betrag von 560 Euro allein reichte nicht zum Leben aus. Des Weiteren kam es während der Studie zur Einführung eines Aktivierungsmodells als Teil des Arbeitslosensystems. Ob und inwiefern sich die Effekte auf den Beschäftigungsstatus der Teilnehmer auf das Grundeinkommen zurückführen lassen, ist daher unklar.
Die Effekte auf den Arbeitsmarkt sind jedoch zur Beantwortung der Frage nach der Umsetzbarkeit eines Grundeinkommens auf Staatenebene entscheidend, da ein bedingungsloses Grundeinkommen vom Staat über Steuereinnahmen finanzieren werden müsste. Überhaupt scheint die offensichtliche Frage nach der Finanzierung der einzige Haken an der sonst so schlüssig und attraktiv klingenden Idee des BGEs zu sein. Zwar betonen Befürworter des Grundeinkommens Einsparungen durch geringere Verwaltungskosten und das Wegfallen anderer Sozialleistungen, die Wissenschaft zeigt sich gegenüber der Finanzierung eines BGEs jedoch skeptisch. Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums beispielsweise kam in einem Gutachten zu dem Schluss, dass ein als alleinige Lebensgrundlage ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen nicht finanzierbar sei. So würde die soziale Sicherung durch das Fehlen einer Bedürftigkeitsprüfung unnötigerweise stark verteuert werden. Ein Zweipersonenhaushalt würde den gleichen Betrag wie zwei Einpersonenhaushalte erhalten – und somit deutlich mehr, als zur Abdeckung des Wohnbedarfes vonnöten ist. Außerdem könnte es durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa nicht nur zu einer Auswanderung derer kommen, die das Grundeinkommen zu finanzieren haben, sondern auch zur Einwanderung einkommensschwächerer EU-Bürger, was eine Finanzierung des BGEs weiter erschweren würde.
In Bezug auf den fraglichen Aspekt der Finanzierung wird die aktuelle Studie aufgrund der vergleichsweise niedrigen Teilnehmeranzahl wohl wenig neue Erkenntnisse liefern. So können zwar Schlüsse über die Auswirkungen eines BGEs auf das Individuum gezogen werden, der Einfluss eines Grundeinkommens auf Preisentwicklung, Lohnniveau und Steuereinnahmen wird jedoch kaum untersucht werden können. Es sind daher bereits Folgestudien in Planung, die auch hinsichtlich der Frage der Finanzierung neue Informationen liefern sollen.
Ungeachtet der Ergebnisse des Experimentes scheint die Umsetzung eines BGEs mit der Ampel-Koalition momentan eher unwahrscheinlich. Denn während es bei den Grünen durchaus Sympathien für die Idee eines Grundeinkommens gibt, stimmen SPD und FDP in ihrer Ablehnung eines nicht an Bedingungen geknüpften Grundeinkommens überein. Gerade mit Blick auf die hohe Hürde der Finanzierung scheint es vielleicht auch sinnvoller, sich in der Diskussion eher dem Reformbedarf innerhalb der bedarfsorientierten sozialen Sicherung zu widmen. Denn den gibt es ohne Zweifel.
Verfasst von Adrian Pislaru
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