Mittwoch nach den Weihnachtsferien.
In der ersten Pause kommt meine mittlere Schwester auf mich zu: „Unsere große Schwester ist positiv getestet!“ Ich starre sie fassungslos an: „Wie kann das sein? Sie ist doch gestern erst geboostert worden. Wir dachten doch, dass uns jetzt nichts mehr passieren kann?!“
Meine Schwester zerrt mich ins Sekretariat. Frau Koch ist sehr lieb und beruhigt mich ein bisschen. Nachdem wir mit Frau Opderbeck gesprochen haben, schickt sie uns nach Hause. Wir sollen nur vorher noch schnell unsere Sachen aus der Klasse holen und den Abmeldezettel unterschreiben lassen.
Ich wanke ins Klassenzimmer und merke erst jetzt, dass ich die ganze Zeit schon zittere. Darf ich überhaupt noch zu den anderen rein? Aber Herr Meuser ist viel weniger geschockt als ich. „Aber Du warst doch heute Morgen negativ?“ fragt er mich. Ich nicke stumm. „Na, dann wirst Du das wahrscheinlich auch bleiben.“
Erst zu Hause kann ich wieder halbwegs klare Gedanken fassen. Meine große Schwester ist schon da – oder auch nicht mehr:
Sie ist sofort in unser Gästezimmer im Keller gezogen, nachdem sie gleich noch einen PCR-Test gemacht hatte. Auch meine beiden anderen Schwestern machen einen PCR-Test, weil sie Kopfschmerzen haben – was aber auch daran liegen kann, dass auch sie gestern geboostert worden sind. Ich habe keine Symptome und werde deshalb nicht PCR-getestet.
Den Rest der Woche bleiben wir alle zuhause und warten auf die PCR-Ergebnisse. Am Freitag kommen erst die Ergebnisse der beiden mittleren Schwestern: Negativ. Hurra! Am Abend dann auch das Ergebnis unserer großen Schwester: Positiv. Oh weh! Welch ein Wechselbad der Gefühle. Ich schlafe mit unruhigen Gedanken ein.
Meine große Schwester ist im Keller isoliert. Wir stellen ihr das Essen vor die Türe und schalten sie per Videoanruf zu uns dazu. Zum Glück funktioniert das WLAN auch im Keller – zumindest meistens. Am Abend trampele ich auf den Wohnzimmerboden, um ihr einen „echten“ Gruß zu schicken.
Vier Tage lang ist sie ein bisschen krank: Kopfschmerzen, Schnupfen, Halsweh, ein wenig Fieber. Dann geht es ihr besser. Aber sie wird nicht wieder negativ! Jeden Tag testet sie sich zweimal, aber es erscheinen immer zwei rote Streifen. Also bleibt sie weiterhin im Keller. Immerhin kommt sie jetzt manchmal in den Garten und wir spielen Federball. Am Anfang ist sie noch sehr schlapp, aber nach einer Woche wird es besser. Aber positiv ist sie immer noch. Wie soll das weitergehen? Meine Mutter recherchiert im Internet und liest von Leuten, die mehrere Wochen lang positiv geblieben sind.
Nach 14 Tagen ruft sie beim Gesundheitsamt an. Die meinen, sie soll nochmals einen PCR-Test machen. Den macht sie am Donnerstag – und am gleichen Abend ist der Schnelltest zum ersten Mal negativ! Aber darf man ihm trauen? Noch einen Tag Zittern, dann kommt am Freitagnachmittag auch das PCR-Ergebnis.
Als ich von der Astronomie-AG nach Hause komme, rufen mir alle die positive Nachricht entgegen: Negativ! Ich reiße die Kellertür auf und will zu meiner Schwester – aber sie ist schon wieder in ihrem Zimmer. Also wieder nach oben. Ich stürme auf sie zu und falle ihr in die Arme. Am Abend sitzen wir endlich wieder alle in echt um den Tisch und feiern die Rückkehr der verlorenen Schwester.
Zwischendurch hatte ich mir große Sorgen gemacht. Ich verstehe jetzt gut, wie es Menschen geht, wenn sie auf ihr Testergebnis warten oder wenn sie Angst um jemanden haben, der krank geworden ist. Ich bin erleichtert, dass Corona bei uns so glimpflich abgelaufen ist und hoffe, dass die Pandemie jetzt bald auch ganz zu Ende geht.
Verfasst von Veronika Düchs, 6a
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