Künstliche Intelligenz bedeutet für praktisch jede Branche massive Veränderungen. Aber wie sieht es bei einer milliardenschweren Industrie aus, die doch in erster Linie von Künstlern und ihrer Kreativität abhängig ist? Wird dies in der Zukunft so bleiben?
Als im Herbst 2022 Chat GPT erstmals veröffentlicht wurde, wurden direkt massive Veränderungen für die Arbeitswelt prognostiziert. Wie viele dieser Prognosen tatsächlich Substanz besaßen, war zu der Zeit ungewiss. Doch auch wenn die Zukunft noch unklar war, war bereits damals sicher, dass gerade Jobs im kreativen Sektor (z.B. Drehbuch, Grafikdesign etc.) große Veränderungen durchleben würden. Seit der Veröffentlichung Chat GPTs vor rund zwei Jahren, ist KI in der Arbeitswelt eines der prägnantesten, wenn nicht das prägnanteste Thema geblieben und es ist immer klarer geworden, dass sich viele der Prognosen von vor zwei Jahren bewahrheiten werden, wenn sie das nicht bereits getan haben. Die Film- und Kinoindustrie wird dabei so stark und schnell beeinflusst wie kaum eine andere, jedoch kann auch in kaum einer anderen Industrie so viel Widerstand gegen den Fortschritt von KI beobachtet werden; ein Widerstand, der sich aus Sicht der Arbeitnehmer der Filmbranche vorerst gelohnt hat.
Die Frage, ob der eigene Beruf angesichts künstlicher Intelligenz wirklich zukunftssicher ist, ist mittlerweile ein Gedanke, der im Kopf fast aller Arbeitnehmer aufgetaucht ist. Und auch wenn sich keiner über die Maßen sicher sein sollte, dass man nicht ersetzbar sei, gibt es ohne Frage Berufe, die sicherer sind als andere und schon in naher Zukunft wackeln könnten.
Bereits 2022 in den Tagen und Wochen nach der Veröffentlichung von ChatGPT (welches man heute als einen absoluten Meilenstein in der Entwicklung von KI betrachten muss) wurde klar, dass der ChatBot gerade in der Analyse von Informationen bereits sehr effektiv war.
Das ist kein Wunder, schließlich nutzt Netflix bereits seit Jahren KI Algorithmen, um Zuschauern auf der Basis ihres Sehverlaufes bestimmte Serien und Filme vorzuschlagen. Dass das Marketing von Kinofilmen durch KI-optimierte Prozesse noch zielgenauer auf Personengruppen gerichtet werden könnte, war ebenfalls früh klar. Dennoch kam der erste richtige Widerstand von SAG-AFTRA, der US-amerikanischen Gewerkschaft für Film- und Fernsehschaffende im kreativen Sektor. Der Streik begann offiziell am 14.07.2024 nachdem Verhandlungen bezüglich Lohn und dem Nutzen von KI gescheitert waren. Der Streik wurde mit 98% Zustimmung autorisiert, welcher der höchste Wert in der Geschichte der Gewerkschaft ist. Nach 118 Tagen, einem erwarteten Verlust von 6,5 Milliarden US-Dollar und 45.000 verlorenen Arbeitsplätzen, erreichten SAG-AFTRA und AMPTP schließlich eine Vereinbarung. Der Streik hing mit den KI-Entwicklungen im Filmgeschäft zusammen, da z.B. Warner Bros. laut Berichten bereits KI für Drehbuchentwürfe testete. Trotzdem galten Löhne als eine wesentlich akutere Gefahr als KI, weshalb der Abschluss eines Abkommens für die Gewerkschaft Mitte November 2023 von Nöten war. Letztendlich einigte man sich u.a. auf höhere Löhne und den Schutz vor KI insofern, dass KI-generierte Drehbücher vorerst komplett verboten wurden und Studios ebenfalls kein Recht bekamen, Drehbücher mithilfe von KI anzupassen. Der Streik hat dafür gesorgt, dass das Wachstum von KI im Filmgeschäft vorerst abgeflacht wurde; dennoch sollte man nicht vergessen, dass der neue Vertrag zwischen SAG-AFTRA und AMPTP bereits 2026 abläuft. Dass dieser Vertrag die rasante Entwicklung von KI gebremst hat, mag für die nahen Jahre in der Zukunft gelten. Dass Studios das gewaltige Potential von KI aber komplett ignorieren, ist schon jetzt nicht der Fall.
Seitens der KI-Entwickler wird nämlich bereits viel Fortschritt beim Thema KI-erstellte Videoproduktion gemacht. Im Frühling 2024 brachte SoraAI den Kurzfilm „Air Head“ heraus, der von einem Protagonisten handelt, der statt einem Kopf einen Ballon hat. Der Film besitzt zwar noch typische KI-Merkmale (unnatürliche Umgebungen, unharmonische Bewegungen etc.), klar ist aber, dass an KI-produzierten Filmen bereits gearbeitet wird und dies im Interesse Hollywoods. Weitere Kontroversen wurden ausgelöst, als kurz vor Release des Filmes „Late Night with the Devil“ herauskam, dass bestimmte Standbilder des Filmes KI-generiert waren. Infolgedessen wurde auf Social Media von vielen (darunter insbesondere von Grafik-Designern) zum Boykott aufgerufen. KI wurde zwar bereits in Hollywood getestet, z.B. das KI-generierte Intro der Marvel-Serie „Secret Invasion“. Bei „Late Night with the Devil“ handelte es sich aber um eine Indie-Produktion, bei welcher von vielen andere Maßstäbe erwartet wurden. Bei all der Kritik war der Film aber letztendlich mit rund 12,5 Millionen eingespielten US-Dollar trotzdem ein finanzieller Erfolg und beweist letztendlich auch, dass der breiten Masse ein paar KI-generierte Bilder in einem Film nicht allzu wichtig sind.
Zuletzt wurde dann am 17.10.2024 der wahrscheinlich bis dato größte Meilenstein erreicht. Es wurde bekannt gegeben, dass die Produktionsfirma Blumhouse eine Partnerschaft mit Meta eingehen werde, um das text-to-video KI-Programm „Movie Gen“ auszutesten. Unter dem Titel „i h8 ai“ wurde dann Mitte Oktober der erste Kurzfilm auf Meta‘s Youtube Seite veröffentlicht. Der Kurzfilm betont, genauso wie die Verantwortlichen bereits in Interviews, dass die Partnerschaft darauf abziele, Künstler in der Branche mit KI-Mitteln zu unterstützen, nicht zu ersetzen. Der Kurzfilm zeigt, wie KI vor allem bei der Set-Produktion helfen kann, indem es bspw. künstliche Hintergründe, Monster oder Explosionen künstlich erstellt. Dass dies derzeit von Künstlern in Hollywood erstellt wird und dementsprechend diese ersetzen würde, widerspricht natürlich den Aussagen. Derzeit testen Blumhouse und Meta zwar noch, wie man KI vernünftig in den Markt integrieren kann, laut Jason Blum (Gründer von Blumhouse) soll KI aber bereits nächstes Jahr in Blumhouse Produktionen für den Markt integriert werden.
Welchen Platz KI in der Filmindustrie haben wird, ist noch ungewiss, aber, dass es einen Platz haben wird, ist sicher. Die aktuellen Fortschritte deuten trotz des SAG-Agreements darauf hin, dass man gerade bei den großen Blockbustern Hollywoods KI-Einfluss schon bald beobachten wird und dass gerade der Beruf des Set-Designers oder VFX-Künstlers bereits jetzt wackelt. Dass man in Zukunft dann aber ausschließlich KI-Filme auf der Leinwand sehen wird, halte ich für unwahrscheinlich. Zuschauer interessieren sich nach wie vor primär für die Ideen von Menschen und wo es Nachfrage gibt, gibt es auch Angebot.
Recherchiert und Verfasst von Justus Bräutigam
Quellen:
https://aicontentfy.com/en/blog/chatgpt-in-film-industry-screenwriting-and-production (06.11.2024)
https://www.theguardian.com/film/article/2024/jul/27/artificial-intelligence-movies (26.07.2024)
https://apnews.com/article/hollywood-ai-strike-wga-artificial-intelligence-39ab72582c3a15f77510c9c30a45ffc8 (26.09.2024)
https://www.wired.com/story/hollywood-saved-your-job-from-ai-2023-will-it-last/ (25.12.2023)
https://www.theguardian.com/culture/2023/sep/26/hollywood-writers-strike-ends-studio-deal (26.09.2023)
https://www.nytimes.com/2023/09/25/business/media/hollywood-writers-strike-deal.html (25.09.2023)
https://deadline.com/2024/10/blumhouse-meta-ai-creative-industry-feedback-program-1236118304/ (17.10.2024)
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