EZB, ESZB, ECON, ESM, SSM – beschäftigt man sich mit der Geldpolitik der EU, wimmelt es nur so von Abkürzungen und Zahlen. In den Nachrichten hört man oft von neuen Investitionen, nicht selten gibt es Diskussionen zu den Ausgaben. Seit 2010 lenkt die griechische Staatsschuldenkrise immer wieder die allgemeine Aufmerksamkeit auf die EU-Finanzen und ihre Verteilung. Und so mancher Politiker begründet seine Austrittspläne aus der EU mit dem Verhältnis von Einzahlungen und Einnahmen der EU-Gelder. Doch wie funktioniert das finanzielle System der EU eigentlich?
Im Zentrum der europäischen Finanzpolitik steht der sogenannte EU-Haushalt, in den alle (noch) 28 EU-Länder einzahlen. Er beträgt jährlich etwa 150 Milliarden Euro und finanziert sich vor allem durch das Bruttonationaleinkommen (BNE) der EU, zu dem jeder Mitgliedsstaat mit einem bestimmten prozentualen Anteil seines jeweiligen BNEs beiträgt, aber auch durch traditionelle Eigenmittel, wie z. B. Zölle für Nicht-EU-Länder, sowie durch die Einnahmen der Mehrwertsteuer. Mit 21 % des Haushalts leistet dabei Deutschland den größten Beitrag, da es die höchste wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Einwohnerzahl in der EU vorweist. Diese EU-Gelder aus dem Haushalt dienen zur Finanzierung europäischer Projekte, z. B. transeuropäische Netze für Verkehr, Telekommunikation und Energie. Auch europäische Bildungsprogramme wie Erasmus werden über den EU-Haushalt finanziert. Doch nicht nur großeuropäische Projekte, sondern auch die einzelnen Mitgliedstaaten profitieren durch den Erhalt von EU-Geldern. Einige Länder benötigen sie beispielsweise für ihre öffentlichen Investitionen. Auch Deutschland genießt Vorteile durch die Verteilung der EU-Gelder. Sie werden zum Beispiel zur Förderung der deutschen Spitzenforschung oder zur wirtschaftlichen Unterstützung der neuen Bundesländer genutzt.
Der Mehrjährige Finanzrahmen
Eine wichtige Rolle zu einer derartigen Bestimmung der Ausgaben von EU-Geldern spielt der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR). Dieser setzt die Ausgabenobergrenzen für die einzelnen Politikbereiche der EU über einen Zeitraum von sieben Jahren hinweg fest. Er wird von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und dem Rat der EU, also durch die Mitgliedstaaten, erlassen, und soll so eine hohe Haushaltsdisziplin und Planungssicherheit für alle EU-Länder bewirken. Einerseits legt er die sogenannte Mittel für Verpflichtungen fest, d.h. er plant, wie viel Geld maximal zur Verfügung stehen soll, um sich in den nächsten sieben Jahren zur Mitfinanzierung von Projekten rechtlich bindend zu verpflichten. Er legt also die Verpflichtungsermächtigungen fest. Andererseits bestimmt der MFR Mittel für Zahlungen, d.h. es werden die tatsächlich zu leistenden Auszahlungen der EU-Gelder für eingegangene Verpflichtungen gebucht. Er legt also auch die Zahlungsermächtigungen fest. Der MFR bestimmt auch die Rubriken, für die Geld ausgegeben werden soll, und setzt somit politisch Prioritäten. Der aktuelle MFR von 2014 bis 2020 sieht 960 Mrd. € für Verpflichtungs- und 908 Mrd. € für Zahlungsermächtigungen vor.
Zusätzlich regelt ein jährlicher EU-Haushaltsplan, wie viel von dem im MFR festgelegten Geld pro Jahr in welche Programme und Maßnahmen fließt. Pro Jahr betragen die Mittel für Zahlungen demnach 134,5 Mrd. € und für Verpflichtungen 157,9 Mrd. €. Er wird von der Europäischen Kommission, dem Rats der EU und de Europäischen Parlamentes entwickelt.
Das Europäische System der Zentralbanken
Ein weiteres Element der europäischen Geldpolitik ist das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Es besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken aller Mitgliedstaaten und dient der Erhaltung der Preisstabilität im EU-Raum. Grundsätze der EZSB sind die Unabhängigkeit der EZB sowie aller nationalen Zentralbanken von den Weisungen jeglicher Einrichtungen der EU, die Rechenschaftspflicht und Transparenz der EZB durch Berichtspflicht und das Abstimmungsverfahren im EZB-Rat nach dem Prinzip der Rotation. Durch Analyseverfahren werden Informationen über die finanziellen Entwicklungen im Euroraum, wie z. B. Inflation, gewonnen. Um Preisstabilität zu garantieren, beeinflusst die EZB die europäische Geldpolitik, indem sie mithilfe der so gewonnenen Informationen die Zinssätze für Geschäftsbanken bei der EZB festlegt, die wiederum Auswirkungen auf die Zinssätze für Darlehen bei den Geschäftsbanken haben.
Die EZB hat ferner den Einheitlichen Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) übernommen, und ist somit nun auch die zentrale Aufsichtsbehörde im Euroraum. Sie hat also die Aufsicht über alle signifikanten Banken im Euroraum inne, erteilt und entzieht Banklizenzen, kann Geldbußen verhängen, bei Fehlern der Bank eingreifen und noch einiges mehr.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus
Ein weiterer wichtiger Faktor in der Geldpolitik der EU ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), dem 19 Mitgliedstaaten angehören. Er soll die finanzielle Stabilität und Sicherheit im Euro-Währungsgebiets gewährleisten. Er mobilisiert Gelder, die an EU-Länder in finanziellen Schwierigkeiten fließen, wenn diese dadurch die finanzielle Stabilität der gesamten EU gefährden. Die Institution vergibt in solchen Fällen beispielsweise Darlehen an den betroffenen Staat oder an dessen Banken.
Doch wie fließt das Geld eigentlich von A nach B? Dafür wird ein Zahlungsverkehrssystem namens Target2 genutzt, über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen getätigt werden. Pro Tag werden dort etwa 340.000 Zahlungen im Wert von 1,7 Billionen Euro abgewickelt. Tätigt zum Beispiel ein Franzose einen Kauf einer deutschen Ware, nimmt die betroffene Geschäftsbank dieses Kunden in Frankreich das Geld von dessen Konto. Das wird dann an die französische Zentralbank überwiesen, die es wiederum an die deutsche Zentralbank überweist. Diese schreibt das Geld schließlich an die betroffene deutsche Geschäftsbank gut, die es dann schlussendlich an das Konto des deutschen Verkäufers der Ware überweist. All diese Transaktionen laufen über Target2. Am Ende eines Geschäftstages werden alle getätigten Zahlungen verrechnet und auf die EZB übertragen, sodass es nur noch eine gesamte Forderung oder Verbindlichkeit einer nationalen Zentralbank gegenüber der EZB gibt. Betrachtet man die Transaktionen zwischen den Zentralbanken zweier Staaten isoliert, besteht also insgesamt eine Verbindlichkeit des einen und einer Forderung des anderen gegenüber der EZB, da die Zahlungsvorgänge ja auf diese übertragen wurden.
Das Zahlungsverkehrssystem
Die Forderung von Land A an Land B bzw. die Verbindlichkeiten von Land B an Land A nennt man Target2-Salden. Sind die Targets positiv, stehen noch Forderungen offen, das Land muss also noch Geld erhalten. Sind sie im Minus, hat das Land einen Leistungsbilanzdefizit, hat also noch Verbindlichkeiten offenstehen. Da die Gelder der Targets also teils nicht direkt überwiesen werden und das Land im Zahlungsrückstand ist, werden Targets – als ausstehende Verbindlichkeiten, also Schulden, der betroffenen Geschäftsbanken bei der EZB – auch oft als Kredite genutzt, d.h. als Kredite vom Eurosystem an Geschäftsbanken, stellvertretend vergeben durch die nationalen Zentralbanken. Da sie unverzinst sind, wird das System verstärkt kritisiert. Die Geldpolitik der EU beruht somit auf komplexen Systemen, die für Stabilität und eine gute Bilanz sorgen. Und diese Geldgeschäfte betreffen jeden von uns: Wenn durch EU-Gelder Projekte in unserer Umgebung mitfinanziert werden – ob die neue Autobahn oder ein Auslandsaufenthalt über Erasmus.
Autorin: Katharina Moser
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