Den Haag – Ein Reisebericht

Im Sommer 2019 verkündete der Schülerzeitungswettbewerb der Rheinischen Sparkassen: akomag ist die beste Schülerzeitung NRWs in der Kategorie „Gymnasium“. Für die Verwendung des Preisgeldes wollten wir uns etwas Besonderes für das gesamte Team einfallen lassen. Schon bald war die Idee klar: Wir wollten eine Reise entweder nach Brüssel oder nach Den Haag unternehmen, um unser Thema EUROPA! noch genauer unter die Lupe nehmen zu können und das Ganze mit einer schönen Team-Building-Maßnahme zu verbinden. So führte uns unsere Recherche-Reise am 11. und 12. Januar 2020 nach Den Haag. Das Ziel waren Parlaments- und Regierungssitz sowie die Residenz des Königshauses der Niederlande.

Am Morgen des 11. Januar trafen wir uns am Bad Godesberger Bahnhof, von wo aus wir um kurz vor acht den Zug nach Köln nahmen und uns dann weiter auf den Weg über Utrecht nach Den Haag machten. Bei den niederländischen Bahnhöfen fiel uns vor allem auf, wie ungewöhnlich sauber sie waren.

Nach reibungsloser Fahrt machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum Hotel. Unterwegs konnten wir schon einiges von Den Haag sehen und von Anfang an die schöne Architektur der Stadt bewundern. Das Hotel, „Staybridge Suites – The Hague – Parliament“, mit Blick auf das niederländische Parlament, war, ebenso wie auch die Häuser in der Umgebung, aus Backstein mit großen weißen Sprossenfenstern. Unsere Unterkunft war zudem mit weißen Fensterläden und einem sehr schmuckvollen Eingang ausgestattet.

Nachdem wir etwas Zeit hatten, um uns in unseren 3er-Zimmern einzurichten und uns in der Lobby mit warmen Getränken wie Tee oder Kakao aufzuwärmen, zogen wir los, um den Treffpunkt für unseren ersten Tagesordnungspunkt, eine Führung zum niederländischen Parlament, zu finden.

Da wir uns in zwei Gruppen aufteilen mussten, beschloss ein Teil von uns, ohne großartige Planung in irgendeine Richtung loszugehen und die Stadt zu erkunden. Nachdem wir durch eine wunderschöne Passage gelaufen waren, befanden wir uns plötzlich in „Chinatown“ von Den Haag: einer Einkaufsstraße, mit vor allem asiatischen Läden und Restaurants. Da wir uns aber auf nichts richtig einigen konnten, beschlossen wir schließlich, uns einfach im Supermarkt einige niederländische Spezialitäten zu kaufen. Nachdem wir auf dem Rückweg noch ein paar Fotos von einer wunderschönen Passage gemacht hatten, kamen wir schließlich wieder am Treffpunkt an, wo wir Audioguides und Informationen zur Führung erhielten.

Die Führung ging dann auch bald los. Schnell bemerkten wir, dass der Städteführer komplett auf Niederländisch sprach, wir waren also, nach einer kurzen Einführung auf Englisch, nahezu komplett auf die Audioguides angewiesen – doch einige Worte der niederländischen Sprache konnten wir doch aufschnappen, was zu einem großen Spaß wurde! Interessant war die Führung allemal. Wir erfuhren etwas allgemein über Den Haag – zum Beispiel, dass die Stadt zwar Regierungssitz, nicht aber Hauptstadt der Niederlande ist, denn die ist Amsterdam.

Außerdem erfuhren wir, dass das Oberhaupt der königlichen Familie der Niederlande früher traditionell die Königin war, mittlerweile hat dieses Amt jedoch der König inne. Dieser spricht am „Prinzentag“ im Rittersaal, einem prachtvollen Saal mit sehr hoher Decke, Holzornamenten und Wandverzierungen, den wir auch von innen bestaunen durften, zu Vertretern des Volkes. Dieses Event ist für die Niederländer von großer Wichtigkeit: Es wird im Fernsehen übertragen und viele Schaulustige bewundern auch die goldene Kutsche, mit der das Königspaar in einer großen Parade vorfährt.

Im Anschluss daran besuchten wir den Rittersaal das niederländische Parlamentsgebäude mit seiner riesigen Halle. Nachdem wir durch die Sicherheitskontrollen gekommen waren, unsere Jacken und Taschen in Schließfächern abgelegt hatten, informierte uns der Städteführer zuerst über die Architektur des Gebäudes und die darin gezeigten Kunstwerke. Noch interessanter wurde es allerdings, als wir dann in den Plenarsaal selbst durften, den Raum also, in dem Parlamentssitzungen abgehalten werden. Sobald man dort nämlich auf der Tribüne Platz genommen hat, fällt einem die Bemalung auf der gegenüberliegenden Wand auf. Diese Wand ist streng genommen gar keine richtige Wand, da sie aus mehreren versetzt stehenden Teilstücken eines Kunstwerks besteht, sodass sich ein Zickzackmuster ergibt, auf dem Ovale gemalt sind. Wie wir durch unseren Audioguide erfuhren, ist dieses Kunstwerk so zu deuten, dass es keinen falschen Blickwinkel gibt, denn die einzelnen Bilder ergeben zu zweit immer ein Oval, egal, von welchem Standort aus man sie betrachtet. Passend also zu einer Politik, die stets die Gleichheit und Gleichberechtigung zum Ziel hat und sich einen offenen Blick ohne festgefahrenen Standpunkt auf die Gesellschaft und ihre Anforderungen wirft.

Nach der Führung trafen wir vor dem Parlament wieder auf die zweite Gruppe von uns. Wir tauschten uns kurz aus und beschlossen dann, am Abend essen zu gehen. Bis dahin teilten wir uns in drei kleinere Gruppen auf: Eine Gruppe wollte im Restaurant einen Tisch für uns alle reservieren, die zweite essen und shoppen, und wir, die dritte Gruppe, beschlossen, sich nach einer kleinen Stärkung die Palastgärten anzusehen. Mit Stadtplan und Handy ausgestattet suchten wir uns also einen Weg zu den Palastgärten, die sich als ein kleiner Park herausstellten, in dem es sogar auch einen Spielplatz gab, auf dem wir einige Zeit verweilten und unter anderem ein paar Fotos schossen – schließlich ist man nur so alt, wie man sich fühlt … Unser Plan, die königlichen Ställe zu besichtigen, ging leider nicht auf, da sie für uns unzugänglich waren.

Nachdem wir uns noch kurz im Hotel aufgewärmt hatten, machten wir uns schließlich auf den Weg zum chinesischen Restaurant, wo wir als erste Gruppe ankamen. Als schließlich alle da waren, begann das Bestellen, was für den einen oder anderen recht kompliziert war. Es handelte sich um ein chinesisches Restaurant in Chinatown mit wirklich originalem chinesischen Essen und Flair. Einige wenige von uns hatten ein paar Schwierigkeiten, ein Gericht aus der (chinesischen) Karte auszusuchen, nach Extra-Gemüse zu fragen, oder dem verwirrten Besitzer zu entlocken, ob in der Honig-Soße Gluten enthalten sei. Auf das Essen mussten wir schließlich nicht lange warten und bald war die in der Mitte stehenden große Drehplatte so gefüllt, dass wir Teller stapeln und das Geschirr verstellen mussten, da jedes Mal, wenn jemand die Scheibe drehte, die über den Rand stehenden Teller klirrend gegen die Teetassen stießen. Verschiedenste Sorten Dim Sums, Nudeln, Reis, Gemüse und Fleisch wechselten zwischen uns hin und her; jeder probierte etwas vom anderen, so dass wir sehr beschäftigt waren und uns quer über den runden Tisch unterhielten, lachten und über die Geschmacksentdeckungen nur so staunten. Mit den Gerichten waren wir außerordentlich zufrieden, und als wir als Nachtisch dann auch noch frische Orangenscheiben bekamen, waren wir bester Stimmung die sich noch den ganzen Abend hielt. In unserem Hotel zurückgekehrt, liessen wir uns im Kaminzimmer bei heißem Tee und Schokolade nieder und spielten mehrere Runden „Werwolf“.

Eigentlich hatten wir den Plan, dass wir uns am nächsten Tag um neun Uhr zum Frühstück treffen wollten. Dass das nichts werden würde, war aber schon am (späten) Abend klar. Einige von uns waren trotzdem schon um kurz nach neun in der Lobby und tatsächlich waren wir doch überraschend bald wieder vollständig.

Die Gespräche an der großen Frühstückstafel gingen über vieles, von Spiderman über Essgewohnheiten bis hin zu Zeitreisen, doch als Hauptgesprächsthema setzte sich schnell die Politik durch, auch wenn man das von ein paar hauptsächlich Sechzehn- und Siebzehnjährigen kaum erwartet. Pro und Contra von Fridays-for-Future, Trump, sein Vorgehen und vieles andere wurde in der Runde eifrig diskutiert und neben verschiedenen Meinungen hatten wir alle auch ordentlich Spaß dabei.

Nach einer kurzen Zeit, die die meisten auf den Zimmern, Einzelne aber auch in der Lobby oder draußen am „See“ vor dem Hotel verbrachten, brachen wir schließlich auf zum Friedenspalast, wo unsere zweite Führung stattfinden sollte. Hier gab es tatsächlich nicht nur einen kleinen Raum, in dem man sich etwas informieren konnte, wie wir es schon bei der ersten Führung erwartet hatten, nein, es war fast ein kleines Museum! So konnten die einzelnen Gruppen sich vor der eigentlichen Führung mithilfe von Audioguides, Bildern und einem kleinen Film schon etwas mit dem Friedenspalast, den zwei dort ansässigen Gerichtshöfen, dem Internationalen Gerichtshof und dem Ständigen Schiedshof, und seiner Geschichte beschäftigen.

Als wir schließlich mit unserer englischsprachigen Begleitperson den Friedenspalast betraten, waren wir zutiefst beeindruckt. Das Gebäude ist riesig und unglaublich prächtig. Zahlreiche Schenkungen wurden über die Jahre von verschiedenen Nationen getätigt und einige Objekte wurden uns auch vorgestellt, von Russland zum Beispiel eine riesige, drei Tonnen schwere Vase aus Porphyr, für die extra das Fundament eines ganzen Raums verstärkt werden musste. Obwohl der Friedenspalast in den Niederlanden steht, so erfuhren wir, hat Russland einiges dazu beigetragen. Der Beschluss zur Errichtung des Friedenspalastes wurde bei der ersten Friedenskonferenz zu Beginn des 20. Jahrhunderts getroffen. Alle Staaten rüsteten zu der Zeit auf und Russland sah das nicht gerne, da sie selbst nicht mehr mitkamen. Also fragte das russische Staatsoberhaupt Zar Nikolaus die damalige Königin der Niederlande, Wilhelmina, mit der er verwandt war, ob sie nicht zu einer Friedenskonferenz einladen könne, denn er war sich sicher, dass niemand kommen würde, wenn er nach Russland einlud. Tatsächlich kamen über hundert Vertreter verschiedener Staaten zu der Konferenz, die in Den Haag abgehalten wurde. Vor allem über Regeln zur Kriegsführung und über Abrüstung wurde gesprochen – und über die Idee eines Friedenspalastes, für dessen Standort das liberale Den Haag vorgeschlagen wurde. Durch eine unsagbar große Spende des Philantrophen Andrew Carnegie konnte dieses einzigartige Projekt verwirklicht werden. Allerdings nur unter der Bedingung, dass in dem Friedenspalast eine Bibliothek eingerichtet werden sollte – dies war für Carnegie ein absolutes Muss, da er Bildung als wesentlichste Voraussetzung für die Entstehung seines Reichtums ansah, da er selbst aus ärmsten Verhältnissen kam. Heute verfügt Den Haag auch aus diesem Grund über eine der größten und wichtigsten Bibliotheken zur internationalen Rechtsgeschichte.

Auch die beiden Räume, in denen die verschiedenen Gerichtshöfe tagen, durften wir sehen. Der Ständige Schiedshof hatte eine eher dunkle, aber nicht ungemütliche Atmosphäre. Wir durften uns in die weichen Stühle setzen, während uns erzählt wurde, wofür dieses Gericht geschaffen wurde: Hierhin können zwei Staaten oder ein Staat und eine andere Organisation kommen – beide freiwillig –, um einen Schiedsspruch zu erwirken. Hierbei dürfen sie ihre Vertreter und sogar die Verhandlungssprache selbst auswählen.

Im Internationalen Gerichtshof, der in einem sehr hellen Raum mit vielen weißen Stühlen untergebracht ist, sitzen fünfzehn Richter aus verschiedenen Nationen, von denen nur alle drei Jahre fünf ausgewechselt und für neun Jahre verpflichtet werden. Hier wird außerdem auch Anklage erhoben, das Erscheinen ist nicht freiwillig im Gegensatz zum Schiedsgericht. Es handelt sich um die weltweit höchsten Gerichte – kein Wunder also, dass Den Haag auch „Welthauptstadt der Gerichtsbarkeit“ genannt wird.

Nachdem die Führung durch den Friedenspalast – unserer aller Meinung nach das absolute Highlight der Reise – zu Ende war und auch die letzten Redaktionsmitglieder das Museum zu Ende besichtigt hatten, gingen wir alle zusammen Mittag essen. An dem schmalen, länglichen Tisch verteilten sich die Gesprächsthemen etwas, aber der Friedenspalast, die schöne Architektur Den Haags, Fridays-for-Future und die Demonstration gegen den Einfluss Amerikas auf Europa, an der wir beim Verlassen des Museums vorbeigekommen waren, blieben die Gesprächsthemen.

Schließlich stellten wir fest, dass die Zeit etwas knapp wurde, weshalb wir uns auf den Weg zum Hotel machten, wo wir zwar schon ausgecheckt, aber das Gepäck noch deponiert hatten. Nach einem letzten Kakao oder Tee in der Hotellobby mussten wir schließlich ziemlich rennen, um unseren Zug noch zu bekommen. Von Den Haag bekamen wir also nicht mehr viel zu sehen – aber die Reise war für uns erst richtig zu Ende, als wir schließlich wieder am Bahnhof in Bad Godesberg standen, denn die gute Stimmung und die interessanten Gespräche hielten sich während der ganzen Zugfahrt.

Müde und voller neuer Eindrücke verabschiedeten wir uns schließlich voneinander, mit guten Artikelideen, viel neuer Inspiration und dem festen Willen, so schnell wie möglich wieder eine Redaktionsreise zu unternehmen.

Autorinnen: Karlina Keller und Sarah Krämer